BMW-Aktie: Zeit, auszusteigen?
Die Forschungs- und Entwicklungskosten des Münchner Premiumherstellers schießen in die Höhe. Die Einnahmen können nicht mehr mithalten. Nicht nur die Dividende gerät so immer stärker unter Druck.
Die Forschungs- und Entwicklungskosten des Münchner Premiumherstellers schießen in die Höhe. Die Einnahmen können nicht mehr mithalten. Nicht nur die Dividende gerät so immer stärker unter Druck.
Auf den ersten Blick sahen die Zahlen zum dritten Quartal solide aus. Und eigentlich tun sie das auch auf den zweiten. Es waren drei gute Monate, die BMW von Juli bis September abgeliefert hat. Manches, sicher, war verbesserungswürdig. Und die großen Überraschungen blieben auch aus. Alles in allem aber bleibt eine zufriedenstellende Performance. Dank starker Nachfrage aus China zog der Absatz im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent auf 613.000 Fahrzeuge an. Der Umsatz legte um 7,9 Prozent auf 26,67 Milliarden Euro zu. Der Nettogewinn kletterte um 11,5 Prozent auf 1,55 Milliarden Euro, während das Ergebnis vor Steuern mit einem Plus von 32,9 Prozent einen Satz auf 2,29 Milliarden Euro machte.
Damit übertrafen die Münchner die Analystenerwartungen, was Anleger in den Tagen danach mit einem Kursplus von 3,2 Prozent auch an der Börse honorierten. Bereits zuvor war die BMW-Aktie fleißig zugekauft worden. Von Anfang Oktober bis zum Tag der Zahlenveröffentlichung hatten sich die Kursgewinne auf positive 17,7 Prozent addiert. Wohl auch dem geschuldet, dass das Papier, derart niedrig bewertet, geradewegs zum Einstieg einlud. Im August noch hatte der Aktienkurs mit 58,70 Euro so tief gestanden, wie letztmals im Oktober 2012. Die Zahlen vom sechsten November zeigten: Das war – trotz aller Herausforderungen, die dem Auto-Konzern ins Haus stehen, zu niedrig.
„Wir liegen nach den ersten drei Quartalen auf Kurs, um unsere Ziele für das Gesamtjahr zu erreichen“, erklärte Vorstandschef Oliver Zipse am Rande der Ergebnisvorlage. Heißt auch: Die Ebit-Marge dürfte zwischen 4,5 und 6,5 Prozent liegen. Im dritten Quartal waren es 6,6 Prozent. Alles im Rahmen der eigenen Erwartungen. Nicht hervorragend, ebenso wenig enttäuschend. Solide eben. Die recht großen Sprünge bei Umsatz und Ergebnis kommen nur zu Stande, da im Vergleichszeitraum 2018 aufgrund von Rückrufaktionen und neuer WLTP-Abgas-Standards die Geschäfte außerordentlich schlecht gelaufen waren.
Die jüngsten Zahlen hören sich weit besser an, als sie es wirklich sind
Und so braucht es vielleicht den dritten Blick, um zu erkennen, dass es weiterhin nicht rund läuft bei BMW. Die jüngsten Zahlen hören sich weit besser an, als sie es wirklich sind. Der Autobauer habe wie erwartet Verbesserungen erzielt, aber nicht wirklich schneller als gedacht, beschrieben es die Experten von Kepler Cheuvreux und beließen das Kursziel bei 60 Euro. Eine klare Verkaufsempfehlung also. Die spricht bei gleicher Begründung auch das Bankhaus Lampe aus, wenngleich mit einem etwas freundlicheren Kursziel von 65 Euro versehen.
Optimistischer ist die Deutsche Bank. Analyst Tim Rokossa empfiehlt die Aktie mit einem Kursziel von 80 Euro zum Kauf, was bei dem aktuellen Kurs von 74,31 Euro aber auch nur einem Aufwärtspotenzial von 7,6 Prozent entspricht. Die starke Produktdynamik mache sich allmählich bemerkbar, schrieb er. Die könnte in der Tat als Hoffnungsschimmer gelten. Im Oktober lag das Absatzplus der Stammmarke bei drei Prozent. Vor allem die Verkäufe von Luxus- und SUV-Modellen zogen an. Bei E-Autos gelang ein Plus von 8,6 Prozent. Die SUV-Modelle X3 und X4 verkaufen sich gut, auch der E-Stadtflitzer i3 legt in Sachen Absatz zu. Doch auch hier rühren die Wachstumsraten zum Teil aus der schwachen Performance des vergangenen Jahres her. Dazu steigerte Mercedes seinen Absatz um 4,4 Prozent. Und verteidigt bislang auch 2019 klar die Spitzenposition im Premiumsegment. Immerhin: BMW wächst von Januar an gerechnet mit einem Plus von 2,3 Prozent schneller als die Stuttgarter Konkurrenz (plus ein Prozent). Die VW-Tochter Audi liegt mit einem Absatzminus von 1,2 Prozent abgeschlagen zurück.
Wirklich überzeugend wirkt das trotzdem nicht. Nicht ganz so schwach wie die Konkurrenz aus Ingolstadt, ähnlich schwach wie die aus Stuttgart. An der Börse ganz schwach. Trotz des jüngsten Anstiegs, der die Aktie aus dem roten Bereich holte – seit Jahresbeginn gerechnet steht sie nun mit 7,7 Prozent im Plus – liegt das BMW-Papier weit hinter dem Dax (plus 26 Prozent) zurück. Daimler ergeht es da ähnlich. Ganz anders VW: Die Aktie der Wolfsburger steht mit 31 Prozent im Plus, schlägt also sogar den Dax.
Das liegt zum einen an der großen E-Offensive des Konzerns, zum anderen an dessen Größe. Die Probleme im Premium-Markt, die Tochter Audi stärker treffen als BMW und Mercedes fallen kaum ins Gewicht, da andere Marken wie VW oder Skoda stark performen. Durch sein Markenimperium hat VW deutlich mehr Geld zur Verfügung, um den Mobilitätswandel zu meistern und profitiert von seinen Baukastensystemen.
Auf der Suche nach Kostenkontrolle – Dividende in Gefahr
Bei BMW hingegen steigen die Kosten zu schnell, sodass die Einnahmen nicht mehr mithalten können. 2019 erhöhten sich die Entwicklungskosten bislang um neun Prozent, die Investitionen um 14 Prozent. Die Umsätze stiegen nur um 3,4 Prozent. Auch deshalb erwirtschaftete BMW in den ersten neun Monaten des Jahres mit rund fünf Milliarden Euro 35 Prozent weniger Gewinn als im Jahr zuvor, das ja auch schon ein dürftiges war.
Nun wollen die Münchner ein Sparprogramm auflegen und so die Kosten bis 2022 vor allem durch Personalabbau um zwölf Milliarden Euro reduzieren. Dazu geht Chef Zipse davon aus, „dass die Märkte in unserem Segment eine gute Robustheit behalten“. Langfristig soll so die operative Marge wieder bei acht bis zehn Prozent liegen.
Nur für welchen Zeitraum steht langfristig? Noch in diesem Jahr erscheint die elektrische Variante des Mini, 2020 dann der iX3, der erste vollelektrische SUV aus dem Hause BMW. Zipse nach sollen 2021 ein Viertel aller neuen BMW elektrisch fahren. 2025 ein Drittel. 2030 die Hälfte. Das wären dann bei gleichbleibenden Verkaufszahlen 500.000 E-Autos. Diese Ziele werden Unsummen verschlingen. Eher unwahrscheinlich also, dass sich die Marge in naher Zukunft deutlich aufbessert.
Eher dürften die kommenden Jahre von Sparzwang geprägt sein. Das gepaart mit schwächeren Mittelzuflüssen könnte auch zulasten der Dividende gehen. Bereits gesenkt, könnte diese bald sogar auf 2,50 Euro sinken, warnt Evercore-Analyst Arndt Ellinghorst.
Solide könnte der Standard werden
Rückblickend war das Tief aus dem August übertrieben, nun jedoch hat sich der Kurs spürbar erholt. Und die große Frage lautet: Wo genau liegt weiteres Potenzial begraben? Langfristig, über viele Jahre hinaus gesehen, lässt sich schwer abschätzen, wie die Mobilitätswende auf die deutschen Autohersteller durchschlägt. Die großen Investitionen in die Zukunft machen Mut. Für die Premiumhersteller, zu denen BMW gehört, ist die Konkurrenz um Tesla aber mächtig. Mittelfristig bleiben Sorgen um Autozölle aus den USA und Chinas nachlassendes Wirtschaftswachstum. Viel Unsicherheit also. Und eher wenig Zuversicht. Denkbar, dass „solide“ noch für eine Weile das Beste ist, was man von BMW erwarten kann.
Oliver Götz
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