Tesla-Aktie auf Achterbahnfahrt
Am Tesla-Chef Elon Musk scheiden sich die Geister. Begnadeter Visionär oder Scharlatan? Das ist die Gretchen-Frage der Börsianer. Die Aktie fährt unterdessen Achterbahn, getrieben von bizarren Tweets und weiteren Kapriolen des Firmenlenkers. Anlass genug, die entscheidenden Fakten zu sortieren und einzuordnen.
Am Tesla-Chef Elon Musk scheiden sich die Geister. Begnadeter Visionär oder Scharlatan? Das ist die Gretchen-Frage der Börsianer. Die Aktie fährt unterdessen Achterbahn, getrieben von bizarren Tweets und weiteren Kapriolen des Firmenlenkers. Anlass genug, die entscheidenden Fakten zu sortieren und einzuordnen.
Das Pendant zum twitterwütigen US-Präsidenten Trump in der Politik ist in der Wirtschaft Elon Musk. Professionelle Distanz ist für ihn ein Fremdwort, in Konferenzen werden Analysten schon einmal wegen angeblich langweiliger Fragen zurechtgewiesen. Von Work-Life-Balance hält Musk offensichtlich ebenfalls nicht viel. In einem Interview mit der „New York Times“ beklagt er eine 120-Stunden-Arbeitswoche. Ruhe findet er laut eigenen Aussagen nur noch mit Schlaftabletten. Von Mitarbeitern erwartet er, in arbeitsintensiven Phasen am besten unter dem Schreibtisch zu schlafen. Elon Musks Liebe zu den Social-Media Plattformen konzentriert sich mittlerweile auf Twitter, seine Accounts bei Instagram und Facebook hat er gelöscht. Der Twitter-Account genügt allerdings durchaus, um in der Börsenwelt Chaos zu stiften.
In einem Tweet vom 7. August dachte Musk laut darüber nach, Tesla von der Börse zu nehmen, und zwar zu einem Kurs von 420 US-Dollar. Die Folge: die Aktie zog bis auf knapp 388 US-Dollar an. Zum Vergleich: In der Zeit vom 30. Juli bis 12. August stieg das Tesla-Papier von unter 250 auf über 320 Euro. Angeblich soll der saudische Staatsfonds seine bisherige Beteiligung im Zuge dieser Privatisierung massiv ausweiten. Mit den tatsächlichen fundamentalen Aussichten des Unternehmens hat die kurze Aufwärtsbewegung der Aktie, die schon wieder Geschichte ist, wenig zu tun. Leerverkäufer, die die Aktie aus guten Gründen für überbewertet hielten und geshortet haben, saßen plötzlich auf hohen Verlusten und mussten sich eindecken, was den Push nach oben weiter verstärkt hat. Die erwartbaren Folgen des Tweets sind eingetreten. Die US-amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC ermittelt mittlerweile und Investoren bereiten Klagen vor, die für Tesla richtig teuer werden könnten. Kein kluges Vorgehen eines Unternehmenslenkers, dessen Konzern schon im operativen Bereich beständig Geld verbrennt.
Verbranntes Geld
Musk stellt immer wieder in naher Zukunft die Profitabilität des Unternehmens in Aussicht, die Wirklichkeit sieht anders aus. Vielmehr reißen die Probleme nicht ab. Im vergangenen Jahr wurden beispielsweise die Produktionszahlen für das Model 3 nicht eingehalten. Zeitweilig wurde die Produktion gestoppt. Mit einer wöchentlichen Produktion von 6000 Wagen des Model 3 will Tesla den Weg Richtung Profitabilität einschlagen. Bis Ende Juni stieg die Zahl immerhin auf 5000 Wagen. Trotzdem bleibt die Ankündigung Musks, im dritten Quartal einen positiven Cashflow zu erzielen, mehr als fragwürdig. Mit einem Kaufpreis von 25.000 US-Dollar ist eine um ca. 10.000 US-Dollar günstigere Alternative zum Model 3 geplant. Frühestens in drei Jahren soll dieses Modell an den Start gehen und auch ein weniger kaufkräftiges Publikum überzeugen. Die 35.000 US-Dollar gelten nur für das Basismodell des Typ 3, mit ein paar Extras liegt der Preis schnell zwischen 50.000 bis 80.000 US-Dollar. Das einzige, auf das momentan im Unternehmen Verlass ist, ist das Verbrennen von Geld. Im zweiten Quartal stieg der Verlust auf 718 Millionen US-Dollar gegenüber 336 Millionen US-Dollar im Vergleichsquartal des Vorjahres an. Die liquiden Mittel liegen bei 2,2 Milliarden US-Dollar und sind damit gegenüber dem Vorjahr um etwa 800 Millionen US-Dollar geschrumpft. Eine Kreditlinie Teslas bei der Deutschen Bank in Höhe von 1,1 Milliarden US-Dollar wurde vor wenigen Tagen auf August 2019 verlängert. Unterdessen gehen weitere Konkurrenten an den Start.
Kampfansage
„Die Russen kommen“ – Konkurrenz für Tesla kommt auch aus Russland, genauer gesagt aus Ischewsk. Der russische Waffenhändler Kalaschnikow hat Tesla den Kampf angesagt. Die Vintage-Optik des vorgestellten Elektroauto-Prototyps steht allerdings nicht für Zukunft, sondern orientiert sich an den Karossen der sowjetischen Nomenklatura aus den 1970er-Jahren. Ernster sollte Tesla die Konkurrenz aus China nehmen. Das chinesische Elektroauto-Startup Nio hat bei der US-amerikanischen Börsenaufsicht die Zulassung für einen Börsengang in den USA beantragt. Der Fokus des Unternehmens liegt eher auf hochpreisigen Modellen. Im Juni ist der SUV NIO ES8, zunächst für den chinesischen Markt, in Produktion gegangen und konkurriert mit dem Tesla Model X. Der Elektroautobauer aus China mit Sitz in Shanghai kann auf finanziell potente Geldgeber setzen. Der chinesische Internet-Gigant Tencent hält eine fünfzehnprozentige Beteiligung an Nio. Von der Profitabilität ist der chinesische Elektroautobauer allerdings ebenfalls weit entfernt. Der Konzern verbrennt viel Geld. Bis zu 1,8 Milliarden US-Dollar, die unter anderem für Forschung und Entwicklung benötigt werden, soll der geplante Börsengang in die Kasse der Chinesen spülen.
Die Analysten der US-Bank JP Morgan haben sich in ihren Einstufungen den Kurs-Kapriolen der Tesla-Aktie angepasst. Nach dem Musk-Tweet zur Privatisierung des Konzerns wurde das Kursziel bei 308 US-Dollar gesehen, zwei Wochen später waren es dann nur noch 195 US-Dollar. Begründung: Das erste Kursziel hat den Einstieg des saudischen Staatsfonds berücksichtigt, jetzt habe man sich aber doch entschlossen, die Aktie nur nach fundamentalen Kriterien zu beurteilen. Die Rating-Agentur Morningstar setzte noch eins drauf. In einer aktuellen Studie rät sie zum Verkauf der Aktie mit einem Kursziel von 175 US-Dollar. Gegenüber den 322,82 US-Dollar, die aktuell für die Aktie bezahlt werden, ist also noch deutlich Luft nach unten. Damit ist klar, dass Tesla-Aktionäre keine schwachen Nerven haben sollten.
Deutliches Potential nach unten
Für eine Buy-and-Hold-Strategie ist das Papier im aktuellen Umfeld denkbar ungeeignet. Trader können sich an kurzfristigen Marktbewegungen orientieren und an Widerständen beziehungsweise Unterstützungslinien antizyklisch handeln. Nach oben läge ein Widerstand für die Bullen bei etwa 385 US-Dollar, die Bären finden Unterstützung bei Kursen um die 290 US-Dollar. Ansonsten ist beim aktuellen Kursniveau und angesichts des wetterwendischen Elon Musk das Abwarten die höchste Anleger-Tugend. Christian Bayer