ThyssenKrupps geplatzte Zukunftsträume
Der Essener Industrieriese ThyssenKrupp ist auf der Suche nach einer neuen Zukunft. Konzernchef Heinrich Hiesinger will neue Geschäftsfelder erschließen und damit unabhängiger vom verlustreichen Stahlgeschäft werden. Doch gleich zwei Nachrichten aus dem fernen Asien machen dem Unternehmen nun schwer zu schaffen – und schließen Türen, hinter denen die rosige Zukunft erwartet wurde.
Der Essener Industrieriese ThyssenKrupp ist auf der Suche nach einer neuen Zukunft. Konzernchef Heinrich Hiesinger will neue Geschäftsfelder erschließen und damit unabhängiger vom verlustreichen Stahlgeschäft werden. Doch gleich zwei Nachrichten aus dem fernen Asien machen dem Unternehmen nun schwer zu schaffen – und schließen Türen, hinter denen die rosige Zukunft erwartet wurde.
„ThyssenKrupp ist ein diversifizierter Industriekonzern mit traditionell hoher Werkstoffkompetenz“, heißt es als Selbstbeschreibung auf der hauseigenen Webseite des Unternehmens. Doch sowohl bei der Diversifizierung als auch bei der Wertstoffsparte hat das deutsche Traditionsunternehmen derzeit einen schweren Stand. Schuld daran ist in erster Linie die anhaltende Schwäche des Stahlmarktes. Und daran wird sich auf absehbare Zeit wohl auch nichts ändern – ganz im Gegenteil. Denn nachdem Anfang des Jahres der Stahlpreis einen unerwarteten Aufschwung um bis zu 60 Prozent erfahren hat, blasen die Chinesen nun wieder zum Angriff und zerstören damit jede Hoffnung auf eine Stabilisierung des Preises.
Dumpingpreise könnten Stahlmarkt kollabieren lassen
Schließlich steckt die Branche schon seit Jahren in einer Krise, angeheizt vor allem durch die Überproduktion und die Billigimporte aus China. Erst vor Kurzem waren die Vertreter von 30 Ländern beim OECD-Treffen daran gescheitert, eine einheitliche und tragfähige Lösung zu finden. Das liegt vor allem daran, dass die Chinesen nicht mit offenen Karten spielen. Nach eigenen Angaben hat die Volksrepublik Kapazitäten für 90 Millionen Tonnen stillgelegt und will bis 2020 weitere Kapazitäten in der Größenordnung von 100 bis 150 Millionen Tonnen stilllegen lassen. Tatsächlich wurde mit der Produktion von 70,65 Millionen Tonnen Rohstahl im vergangenen Monat jedoch einen neuer Rekordwert erreicht.
Und das dank tatkräftiger Mithilfe von „ganz oben“. Aufgrund der schwächelnden Nachfrage im Inland suchen die chinesischen Firmen ihr Heil im Export. Allein 2015 erreichte die Ausfuhr mit 112 Millionen Tonnen einen neuen Rekordwert. Und dieser wird über Exportkredite und anderweitige finanzielle Unterstützung maßgeblich von der Notenbank und damit der chinesischen Regierung finanziert. Das hat zur Folge, dass sogar schon stillgelegte Hochöfen wie das Stahlwerk Shanxi Wenshui Haiwei im Norden Chinas und sogar bisher unrentable sogenannte „Zombie“-Hütten wieder hochgefahren werden und damit den Markt weiter mit dem günstigen Stahl aus Fernost überschwemmen. Eine Entwicklung, die selbst Chinas Stahlverband CISA Angst macht. Sie riefen in einem offenen Brief die heimischen Betriebe zu mehr Selbstdisziplin auf.
Zukunft in der Schwebe
Offenbar zeigt Tata dabei auch Interesse, ThyssenKrupps verlustreiches Stahlwerk in Brasilien zu übernehmen. Aber auch andere Kooperationen, wie beispielsweise mit dem deutschen Konkurrenten Salzgitter, sehen Experten als eine mögliche Lösung an. Alles in allem scheint derzeit aber noch vieles in der Schwebe. Konzernchef Hiesinger wollte entsprechende Berichte daher auch nicht kommentieren, wenngleich er wohl grundsätzlich einer solchen Lösung aufgeschlossen gegenüber steht. Unterstützung kommt hierbei auch aus der Politik. Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel betonte, es wäre gut, wenn sich Gewerkschaften und Unternehmen über grenzüberschreitende Zusammenschlüsse berieten. Gleichzeitig plädierte er für eine harte Haltung gegenüber der chinesischen Exportpolitik: „Fairness im Wettbewerb ist keine Einbahnstraße.“
Milliarden-Deal geplatzt
Ausge-U-bootet
Auch wäre das entstehende Werk in Australien ThyssenKrupps neues Zentrum im geostrategisch wichtigen Pazifikraum geworden, wo sich aktuell gerade auf See neue Konfliktherde anbahnen und damit auch der Bedarf an hochmodernen U-Booten bei den angrenzenden Staaten steigt. Neben der schwächelnden Stahlsparte und der konjunkturbedingten schwachen Auftragslage im Großanlagenbau ist für Hiesinger nun ein neues Sorgenkind hinzugekommen. Aktuell hat sich Ursula Gather, Chefin der Krupp-Stiftung und damit Großaktionär, in einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung noch hinter den Kurs von Hiesinger gestellt. Doch sollte der Unternehmens-Kapitän das Schiff ThyssenKrupp nicht bald in ruhigere Fahrwasser bringen, könnte es mit der Rückendeckung auch schnell wieder vorbei sein.
Robin Schenkewitz