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Mercedes-Aktie: Källenius treibt Wandel voran

„Hallo ich bin Ola“, mit gewinnendem Lächeln geht Källenius auf die Mitarbeiter in der riesigen Fabrik in Sindelfingen zu. Dort entstehen die noblen Karossen mit dem Stern auf der Motorhaube.

(Bild: Daimler)

„Hallo ich bin Ola“, mit gewinnendem Lächeln geht Källenius auf die Mitarbeiter in der riesigen Fabrik in Sindelfingen zu. Dort entstehen die noblen Karossen mit dem Stern auf der Motorhaube.

Der großgewachsene Schwede fragt nach und hört zu – ein Grundsatz des 52-Jährigen, der seit zweieinhalb Jahren Chef des ältesten Autoherstellers der Welt ist. In dieser Zeit hat er den Stuttgarter Konzern so umgekrempelt wie keiner vor ihm. Beginnend mit dem Namen: Seit Anfang Februar heißt das Unternehmen Mercedes-Benz. „Daimler ist Geschichte“, erklärt Källenius selbstbewusst – und meint damit mehr als nur das Firmenschild. Daimler steht für Verbrenner. Mercedes-Benz soll hingegen „Electric Only“ sein. Doch auch für Källenius gibt es mit Blick auf die Ukraine „wichtigere Dinge als das Geschäft. Wir sind sehr besorgt und bei den Menschen dort.“ Mercedes betreibt in der Ukraine keinen Standort. In der Nähe in Moskau läuft eine Fertigung mit 1000 Beschäftigten. „Wir sind den Leuten dort sind wir in Kontakt.“

Der betont höflich-nett auftretende Schwede hat schon kurz vor seinem eigentlichen Amtsantritt deutlich gemacht, dass künftig ein nordischer Wirbelwind durch den Konzern fegt. Mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie „Ambition 2039“ läutete er den Wandel ein. Bis 2039 will man eine CO2-neutrale Flotte produzieren und Mitte des Jahrhunderts klimaneutral arbeiten. Inzwischen hat Källenius noch fester das Gaspedal durchgedrückt: Auf der Weltklimakonferenz in Glasgow kündigte er als Vertreter der Autokonzerne an, ab 2040 keine Verbrenner mehr auf den Markt bringen zu wollen.

Källenius ist nicht nur der erste Ausländer an der Spitze des Stuttgarter Traditionskonzerns. Er ist auch der erste ohne ausgewiesenem Ingenieurshintergrund. Källenius ist ein Mann der Zahlen und die müssen stimmen. Nicht zuletzt an den Finanzmärkten. Börsianer und Aktionäre erwarten Renditen – trotz des Häutungsprozesses, den der Konzern durchläuft. Ausgerechnet der Zahlenmensch Källenius musste zu Beginn den Anteilseignern mehrere Gewinnwarnungen beibiegen. „Ola“ wie der Chef intern genannt wird, hat das nicht auf sich sitzen lassen. Knapp zwei Jahre nach Amtsantritt verkündet er, dass Daimer mit dem Verkauf von 190.000 Elektro- und Plug-in-Hybridmodellen die CO2-Vorgaben der EU eingehalten hat. Jetzt liegt man sogar zehn Gramm unter der Vorgabe von 125 Gramm je Kilometer. Ab 2025 sollen alle Fahrzeugentwicklungen rein elektrisch sein. Bis 2030 sollen E-Mobile die Hälfte des Mercedes-Absatzes ausmachen. Für das Elektro-Flaggschiff EQS sind bereits 20.000 Bestellungen eingegangen. Zudem bereite man für dieses Jahr die Markteinführung der Modelle EQE und EQS SUV vor.

Der Kurswechsel kostet Geld. Mercedes will bis Ende der Dekade rund 40 Milliarden Euro für den Wandel ins Elektro-Zeitalter in die Hand nehmen. Gleichzeitig sollen die Investitionen in die herkömmliche Technik bis 2026 um 80 Prozent eingedampft werden. Der Konzern muss also gewaltige Summen mobilisieren. Entsprechend wollen Källenius, Wilhelm und Co. an anderer Stelle sparen. Sie drücken beispielsweise heftig auf die Personalkosten. Inzwischen haben 10.000 Beschäftigte das Unternehmen verlassen. Gleichzeitig wurde die Nutzfahrzeugsparte abgekoppelt und als Daimler Truck an die Börse gebracht. Getrennt hat sich Källenius auch von der Kleinwagenmarke Smart. Die wird nun von den chinesischen Partnern von Geely fortgeführt. Der Sparkurs zeigt Wirkung: so wurden die Fixkosten um 16 Prozent gedrückt. Gleichzeitig stieg der Umsatz je Fahrzeug 26 Prozent auf durchschnittlich 49.800 Euro.

Das letzte Jahr der Daimler AG ist trotz Pandemie und Lieferschwierigkeiten aufgrund fehlender Halbleiter glänzend verlaufen. Insgesamt wurde ein Umsatz von 168 Milliarden Euro (plus 9 Prozent) erreicht. Das Ergebnis schnellte um das sechsfache auf 23,4 Milliarden Euro hoch. Ohne die im Herbst abgespaltene Nutzfahrzeugsparte verzeichnete das seit Februar als Mercedes-Benz Group firmierende Unternehmen einen Umsatz von 133 Milliarden Euro (Vj. 121 Mrd.€) und ein Konzernergebnis von elf Milliarden Euro nach vier Milliarden im Vorjahr. Das sind die Werte, die künftig als Grundlage für weitere Vergleiche zu Grunde gelegt werden. Ohne Daimler Truck beschäftigte der Konzern noch 172.000 Mitarbeiter. Bei der Daimler AG waren es 2020 noch 276.000. Der Vorstand schlägt der im April tagenden Hauptversammlung eine Rekorddividende von fünf Euro vor. Davon entfallen 70 Cent auf das Ergebnis von Daimler Truck. Im vergangenen Jahr hatte Daimler noch 1,35 Euro ausgeschüttet. Insgesamt werden 5,53 Milliarden Euro an die Aktionäre verteilt.

Wie sehr die fehlenden Halbleiter ein noch besseres Ergebnis verhindert haben deutet Källenius nur an. „Die ‚Nachfrage lag erheblich über dem Absatz.“ Der lag mit 2,3 Millionen Fahrzeugen fünf Prozent unter dem Vorjahr. Im Laufe des Jahres werde sich die Lage entspannen und die Lieferzeiten kürzer. Aktuell nimmt Mercedes unter anderem wegen der fehlenden Halbleiter keine Bestellungen für die E-Klasse an. Trotz dieser Probleme ist es gelungen die besonders renditeträchtigen Modelle der S-Klasse, Maybach, G-Klasse, GLS und EQS in Rekordzahl an die zahlungskräftige Kundschaft zu bringen. So konnte Maybach allein in China jeden Monat gut 1000 Luxuskarossen absetzen. Diesem Segment gilt deshalb das besondere Augenmerk in der Chefetage in Stuttgart-Untertürkheim. So will Källenius den Absatz der Topmodelle um zehn Prozent überdurchschnittlich steigern. Für die gesamte Gruppe ist ein Plus von 7,5 Prozent vorgesehen. Dabei soll der Absatz der E-Mobile um 40 Prozent zulegen.

„Wir sind ein Luxushersteller. Wir setzen auf Werte und nicht auf Volumen“, stellt Källenius klar. Das klingt sehr nach Abschied von den Volumenmodellen A- und B-Klasse. Die hatte man wie Smart benötigt, um die CO2-Vorgaben zu erfüllen. Mit zunehmender Elektrifizierung wäre dies nicht mehr so entscheidend. Zudem bringen die großen Fahrzeuge deutlich mehr Rendite. „Wir müssen unsere Positionierung als Luxusmarke vorantreiben“, betont Källenius und kündigt an: „Dieses Jahr wird noch spannender als 2021.“  Zwar betont der Konzernchef, dass „die Leute den Stern ausmachen.“ Doch der schwedische Wirbelwind raubt mit seinem Tempo manchem den Atem. Der Transformationsprozess sei wichtig, doch man müsse auch alle mitnehmen mahnen Betriebsrat und IG Metall. Legendär ist eine Ansprache der einstigen Betriebsratschefs Michael Brecht, der inzwischen zu den Trucks gewechselt ist. Er erinnerte an Hauffs Märchen „Das kalte Herz“, in dem der Kohlenmunk für Geld sein Herz verkauft. Glücklich sei er damit aber nicht geworden – und kam ins Grübeln.

Andreas Kempf

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