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Absturz der Vonovia-Aktie nimmt kein Ende

Die Aktie von Europas größtem Wohnungsvermieter fällt auf den tiefsten Stand seit 2014. Die Zinswende hat den Konzern mitten in einem großangelegten Wachstumskurs getroffen. Nun türmt sich ein riesiger Schuldenberg auf und die eigenen Immobilien verlieren immer weiter an Wert.

(Foto: picture alliance RHR-FOTO RHR-FOTODennis Ewert)

Die Aktie von Europas größtem Wohnungsvermieter fällt auf den tiefsten Stand seit 2014. Die Zinswende hat den Konzern mitten in einem großangelegten Wachstumskurs getroffen. Nun türmt sich ein riesiger Schuldenberg auf und die eigenen Immobilien verlieren immer weiter an Wert.

Die Immobilienbranche gerät vor dem Hintergrund der weiter steigenden Zinsen immer stärker unter Druck. Der europäische Sektor-Index Stoxx Europe 600 Real Estate hat ausgehend von seinem Hoch bei rund 200 Punkten Ende 2021 fast die Hälfte an Wert verloren. Tendenz: weiter sinkend. Allein in den ersten knapp drei Monaten des laufenden Jahres steht ein Minus von elf Prozent zu Buche. Der Dax hat währenddessen um 6,3 Prozent zugelegt.

Die aggressive Zinspolitik der Währungshüter lastet schwer auf den Unternehmen. Steigende Zinsen bedeuten höhere Finanzierungskosten. Dazu werden die Immobilien im Konzernportfolio weniger wert. Eine neue Erkenntnis ist das nicht, eher gehören diese Wechselwirkungen in das Kapitel „Grundlagen der Volkswirtschaftslehre“. Dass dies viele Unternehmen aus dem Sektor dennoch so unvorbereitet trifft, liegt an der Geschwindigkeit in der Fed und EZB aktuell Abschied von ihrer jahrelangen Niedrigzinspolitik nehmen.

Das trifft an vorderster Front auch den Branchenriesen Vonovia. Die Aktie war bereits im vergangenen Jahr die mit der schlechtesten Kursentwicklung im Dax. 2023 knüpft das Papier daran an, steht schon mit 17 Prozent im Minus. Innerhalb von nicht einmal zweit Jahren haben die Vonovia-Anteile an der Börse 70 Prozent an Wert verloren. Von rund 56 Euro aus dem August 2021 sind aktuell nur noch knapp 17 Euro übrig. Tendenz auch hier: fallend. Inzwischen notiert der Kurs der Aktie auf dem tiefsten Niveau seit 2014.

Der eigene Erfolg wird nun zum großen Risiko

Vonovia wird der eigene Erfolg zum Verhängnis. Die Bochumer befanden sich auf Wachstumskurs, bauten ihr Wohnungsportfolio beständig aus, übernahmen immer mehr Wohnungen von Konkurrenten und zuletzt mit der Deutschen Wohnen die deutsche Nummer zwei am Markt. In Zeiten niedriger Zinsen schien stetig steigenden Umsätzen und Gewinnen und damit auch Dividenden nichts im Weg zu stehen. Anleger setzten deshalb auf das Schwergewicht. Ein sicher scheinendes Geschäftsmodell, wiederkehrende Einnahmen, eine niedrige Bewertung, eine starke Dividendenrendite: ein klassisches Value-Investment, das in Zeiten der Pandemie noch dazu als sicherer Hafen taugte.

Dann stiegen die Zinsen – und auf einmal wurden die Schulden, über die die Expansion finanziert worden war, zum Problem. Und spätestens seit klar ist, dass die hohen Inflationsraten in Europa und den USA kein kurzfristiges Phänomen sind und es nicht bei ein paar wenigen Zinsschritten der Notenbanken nach oben bleibt, wurde daraus ein sehr großes Problem.

Dividende wird halbiert, Kapitalerhöhung könnte kommen 

Morgan Stanley-Analyst Bart Gynsens äußerte in einer vor kurzem veröffentlichten Studie seine Sorge vor Kapitalerhöhungen im gesamten Sektor, die notwendig werden könnten. Die kontinentaleuropäischen Vermieter seien hoch verschuldet, böten eine niedrige Rendite und schwache oder zumindest gefährdete Mieten, schrieb der Experte. Für die Vonovia-Aktie setzte Gynsens sein Kursziel von 30 auf 19 Euro nach unten. Damit liegt er trotzdem noch über dem aktuellen Kurs von 16,80 Euro.

Das Vertrauen der Anleger in den Vonovia-Konzern schwindet mit jedem negativen Analystenkommentar, mit jeder weiteren Zinserhöhung, mit jeder weiteren Hiobsbotschaft aus dem Bankensektor weiter. Dass CEO Rolf Buch nun auch noch die Dividende von 1,66 Euro auf 85 Cent kürzen muss, lässt noch mehr Investoren flüchten. Ebenso wird der Konzern sein über die Jahre aufgebautes Wohnungsportfolio verkleinern müssen, um Kapital freizumachen.

Im aktuellen Umfeld fällt es schwer, etwas zu finden, dass für die Aktie spricht. Die miserable Kursentwicklung kommt also nicht von ungefähr. Die Zahlen zum abgelaufenen Geschäftsjahr waren in Ordnung. Der Umsatz kletterte um 20 Prozent auf 6,26 Milliarden Euro, der operative Gewinn legte ebenfalls um ein Fünftel auf 2,04 Milliarden Euro zu. Der Leerstand war gering, Mietausfälle gab es so gut wie keine, die Mieten stiegen um 3,3 Prozent. Die Prognose für 2023 ist vorsichtig, jedoch sollen die Umsätze weiter auf 6,4 bis 7,2 Milliarden Euro steigen. Der operative Gewinn soll bei 1,75 bis 1,95 Milliarden Euro liegen.

Existenzsicherung statt Renditesteigerung

Das Problem: für diese Zahlen interessiert sich an der Börse derzeit niemand. Es geht vielmehr um Liquidität. Spätestens mit der jüngsten Krise im Bankensektor ist auch die Sorge vor Zahlungsausfällen im Immobiliensektor groß. Davon dürfte ein Riese, wie die Vonovia nach wie vor einer ist, zunächst nicht betroffen sein. Doch der Schuldendienst, den die Bochumer leisten müssen wie auch die kaum noch wirtschaftlichen Bedingungen was Neubauten angeht, werden das Wachstum einbremsen. Statt sich auf Expansion, Margensteigerungen und Rendite für die Aktionäre konzentrieren zu können, muss die Vonovia nun die eigene Existenz sichern. Dass Anleger hier Abstand nehmen, ist wenig überraschend. Zudem stand bereits 2022 ein Nettoverlust von 669 Millionen Euro in den Büchern. Grund waren unter anderem Abschreibungen auf das Immobilienportfolio. Für 2023 sind das keine guten Aussichten.

OG

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