Die Macht ist zurück
Walt Disney rutscht zum ersten Mal seit 40 Jahren in die roten Zahlen. An der Börse aber schafft der Unterhaltungsriese 2020 großes. Der Dank gilt einer gewaltigen Streamingoffensive, die den Konzern plötzlich mit den Tech-Giganten mithalten lässt.
Walt Disney rutscht zum ersten Mal seit 40 Jahren in die roten Zahlen. An der Börse aber schafft der Unterhaltungsriese 2020 großes. Der Dank gilt einer gewaltigen Streamingoffensive, die den Konzern plötzlich mit den Tech-Giganten mithalten lässt.
Zum Abschluss des Börsenjahres grüßte die Walt-Disney-Aktie noch einmal von der Spitze des Dow Jones. Ein Kursplus von 2,18 Prozent reichte an einem ruhigen Handelstag zu diesem Platz an der Sonne, auf dem das Papier nun über den Jahreswechsel Mahnwache halten wird. Schließlich ist der abermalige Kurshüpfer nur die Pointe dessen, was sich in den Monaten zuvor für Disney auf dem Parkett abgespielt hatte und der Konkurrenz das Fürchten lehren muss.
Das Corona-Tief aus dem März als Ausgangspunkt, hat sich die Aktie des Unterhaltungsriesen bis dato mehr als verdoppelt. Wer vor dem Crash eingestiegen war, kommt auf Jahressicht immer noch auf ein Plus von gut 25 Prozent. Mit einem Kurs von 181,17 US-Dollar geht das Papier mit einem Allzeithoch ins neue Jahr. Die Marktkapitalisierung beträgt 327 Milliarden US-Dollar. An der Börse strahlt der Mickey-Maus-Konzern so kräftig wie nie zuvor, obwohl Disney eigentlich ein Geschäftsjahr des Grauens hinter sich hat.
4,7 Milliarden US-Dollar Verlust in einem einzigen Quartal
Von Oktober 2019 bis September 2020 rutschte der Konzern mit einem Nettoverlust von 2,8 Milliarden Dollar tief in die roten Zahlen. Zum ersten Mal seit 40 Jahren, schafften es die erfolgsverwöhnte Kalifornier damit nicht in die Gewinnzone. Zum Vergleich: Im Vorjahr hatte Disney noch 10,4 Milliarden US-Dollar Gewinn erzielt. Die Umsätze gaben um sechs Prozent auf 65,4 Milliarden Dollar nach. Dabei profitierte Disney aber noch von den starken Monaten vor dem globalen Corona-Ausbruch. Im zurückliegenden und damit letzten Quartal des abgelaufenen Geschäftsjahres sanken die Erlöse im Jahresvergleich um 23 Prozent. Unterm Strich blieb ein Verlust von 710 Millionen US-Dollar. Im Vorquartal betrug das Minus 4,7 Milliarden US-Dollar. Besonders die Freizeitparks, sonst wichtige Gewinnbringer, leiden enorm unter den weltweiten Ausgangsbeschränkungen. In den Filmstudios und Kinos klingeln die Kassen ebenso wenig. In der Folge will Disney zu Beginn des neuen Jahres 32.000 Mitarbeiter entlassen – zum großen Teil in der Vergnügungssparte.
Gigantische Wachstumsprognose: Anleger setzten alles auf Disney+
Das klingt nicht zum Fürchten. Doch es ist auch nicht das, was Anleger aktuell interessiert. Vielmehr ist es der noch relativ junge Angriff auf den Streaming-Markt, den der Konzern mit Disney+ derart gekonnt bewältigt, dass Analystenschätzungen schon im Moment der Prognose alt aussehen. Die Zahlen eilten den Erwartungen voran, frohlockt JPMorgan-Analystin Alexia Quadrani. Vor einem Jahr gestartet, zählt Disney+ schon jetzt 74 Millionen Abonnenten. Mit Hulu (36,6 Millionen) und ESPN+ (10,3 Millionen) wachsen auch die Nutzerzahlen weiterer Online-Angebote. Auf seinem jüngsten Kapitalmarkttag gab Disney bekannt, bis 2024 insgesamt die Zahl von 350 Millionen Streaming-Kunden erreichen zu wollen. Netflix, aktuell noch die Nummer Eins, plant mit rund 200 Millionen – in diesem Jahr. Hält Disney, was es verspricht, könnte Netflix in vier bis fünf Jahren ins Hintertreffen geraten. Aussichten wie diese, lassen Investoren jubeln. Das Streaming-Geschäft sei der „Lichtblick in der Bilanz und der „Schlüssel zur Zukunft unseres Unternehmens“, geriet auch Disney-Vorstandschef Bob Chapek ins Schwärmen. Die Magie sei zurückgekehrt in das Königreich der Unterhaltung, schreibt Quadrani.
Zwar erhöhen Disneys Steaming-Investitionen bislang die Verluste sogar noch – im vergangenen Quartal um 580 Millionen US-Dollar. In den kommenden Jahren sollen 16 Milliarden Euro in die Sparte fließen. Doch Anlegern geht es um Wachstumsphantasie für die Zukunft, nicht um gegenwärtige Gewinnoptimierung. Erstere ist mit den fulminanten ersten Monaten von Disney+ bestätigt worden. Die mutige Prognose tut ihr übriges und erscheint ob der Tatsache, dass der Streaming-Dienst bislang nur in 20 Ländern verfügbar ist, durchaus realistisch.
Disney könnte zum großen Profiteur eines einsetzenden Aufschwungs werden
Allein daran liegt Disneys beeindruckende Börsenperformance aber auch nicht. Das Kursfeuerwerk ausgelöst haben auch die positiven Nachrichten rundum verfügbar werdende Impfstoff gegen das Corona-Virus. So stark der Konzern aktuell unter vielfältigsten Beschränkungen leidet, so sehr wird er auch von deren schrittweiser Aufhebung profitieren, die ab Mitte 2021 zu erwarten ist. Disney hat sein Geschäftsmodell nicht an die Pandemie verloren. Die Besucher werden in Freizeitparks zurückkehren, genauso wie in die Kinos. Vielleicht nicht mehr ganz so zahlreich wie zuvor, aber zahlreich genug, um dem Konzern wieder stattliche Gewinne zu bescheren. Kommt Disney also allein nur wieder in die Nähe seiner Vorkrisen-Performance, kann der Konzern seine Wachstumslokomotive Disney+ quer finanzieren und profitabel wachsen – ein großer Vorteil gegenüber Netflix, die ausschließlich auf ihr Streaming-Angebot bauen können.
Aktie: Die hohe Bewertung schreckt ab
Der Wermutstropfen für Anleger: Der Kursanstieg lässt sich so zwar herrlich begründen, doch wohin soll er bei all den bereits enthaltenen positiven Nachrichten noch steigen? Das erwartete KGV für das laufende Geschäftsjahr liegt bei 186 und die Dividende hat Disney infolge der Pandemie zusammengestrichen. Die Gewinne müssen Anleger also auf kurze Distanz hin, mit dem Kurs machen. Das scheint bei der aktuellen Bewertung ein großes Risiko. Also vielleicht erst einmal abwarten, bis die Aktie mal wieder vom unteren Ende des Dow Jones grüßt.
OG
Lesen Sie auch: The American Dream