Gestatten, der neue Börsenprimus!
Apple, Alibaba– oder doch Google? Nein, das weltweit wertvollste Unternehmen kommt anders, als viele wohl vermuten würden nicht aus den USA oder China, sondern vom Persischen Golf. Der Ölgigant Saudi Aramco setzt mit seinem spektakulären Börsengang ein Ausrufezeichen, das seinesgleichen sucht. Der große internationale Durchbruch lässt allerdings trotzdem (noch) auf sich warten.
Apple, Alibaba– oder doch Google? Nein, das weltweit wertvollste Unternehmen kommt anders, als viele wohl vermuten würden nicht aus den USA oder China, sondern vom Persischen Golf. Der Ölgigant Saudi Aramco setzt mit seinem spektakulären Börsengang ein Ausrufezeichen, das seinesgleichen sucht. Der große internationale Durchbruch lässt allerdings trotzdem (noch) auf sich warten.
Politische Unsicherheiten, fehlende Transparenz und dazu noch das große Thema Klimawandel: Gegen den Kauf von Öl-Aktien des saudi-arabischen Konzerns Saudi Aramco hätte es eigentlich eine ganze Reihe guter Argumente gegeben. Jüngst, im September wurden sogar Einrichtungen in Abqaiq und Khurais angegriffen, was zu einer Störung des Förderprozesses führte. Und doch schlugen die Investoren vergangene Woche wie im Rausch zu, als das Unternehmen vom Persischen Golf am Markt Abnehmer für jede seiner drei Milliarden Aktien fand – und diese zu umgerechnet je 7,70 Euro an den Mann/die Frau brachte. Die bemerkenswerte Folge: Durch jene Einnahmen in Höhe von 23,1 Milliarden Euro steigt Saudi Aramco mit einem Börsenwert von 1,53 Billionen Euro zum wertvollsten börsennotierten Unternehmen der Welt auf. Doch damit nicht genug: Einschließlich einer Platzierungsreserve könnten die Einnahmen sogar noch auf 26,5 Milliarden Euro klettern. So oder so – durch den spektakulären Börsengang hat der vorderasiatische Öl-Gigant selbst Chinas Online-Händler Alibaba überholt, der an der Wall Street gerade mal vor fünf Jahren 22,5 Millionen Euro erlöste. Auch Apple mit einem Börsenwert von 1,1 Billionen Euro und Google (rund 800 Millionen Euro Börsenwert) haben im Vergleich mit Saudi Aramco klar das Nachsehen.
Dennoch muss trotz aller Euphorie im Golfstaat auch festgehalten werden, dass die Investoren hauptsächlich aus dem eigenen, autoritär regierten Land sowie den direkten Nachbarländern stammen. Daher beschränkte sich Saudi Aramco auf einen Börsengang im heimischen Riad, während ein Zweitlisting außerhalb Saudi-Arabiens erst einmal auf Eis gelegt wurde. Wie lange? Auf unbestimmte Zeit, da hierzu kein konkreter Zeitplan der Öffentlichkeit bekannt gegeben wurde. Diese Tatsache könnte damit begründet werden, dass sich im weiteren Ausland das Interesse an den Aktien des Konzerns, der zwölf Prozent des weltweiten Öl- und fünf Prozent des weltweiten täglichen Energiebedarfs liefert, bislang so stark in Grenzen hält, dass Banken, die den Börsengang begleiteten, Roadshows in London und New York absagen mussten. Offenbar befürchten viele Investoren, dass Saudi Aramco allenfalls relativ geringen Gewinnanstiege wird verzeichnen können, wenn die Ölpreise weiterhin auf ihrem niedrigen Niveau verharren. Unter Druck gerät dieser besonders durch den Trend zu erneuerbaren Energie sowie die aufstrebende US-amerikanische Schieferölbranche. Auch muss eingeräumt werden, dass die Bewertungsmultiplikatoren für Saudi Aramco mehr als doppelt so hoch sind wie die der russischen Wettbewerber, die ebenfalls niedrige Förderkosten und Reserven in hinreichender Menge vorweisen können.
Dennoch sprechen die niedrigen Kosten von Saudi Aramco, die durch dessen Einrichtungsstandorte, die nahe beieinanderliegen, zustandekommen, für die Attraktivität eines Investments in die Konzern-Papiere. Auch drückt der niedrige Steuersatz in Saudi-Arabien die Kosten des Konzerns. Das soll langfristig auch internationale Investoren anlocken.„Saudi Aramco ist der größte und profitabelste Ölkonzern der Welt, aber Größe ist nicht alles", geben die Analysten von Bernstein allerdings zu bedenken. Sie halten die aktuelle Bewertung des Konzerns für zu hoch und schätzen den Wert von Saudi Aramco auf etwa 1,22 Billionen Euro. Im vergangenen Jahr betrug der Reingewinn des Unternehmens knapp 100 Milliarden Euro, zwei Drittel davon wurden für spätere Dividendenzahlungen zur Seite gelegt.
Mit den beträchtlichen Einnahmen des Börsengangs – den Staatskassen winken um die 90 Milliarden Euro – plant Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman eine Transformation der Volkswirtschaft im Golfstaat mit dem Ziel, unabhängiger vom Öl zu werden. „Wir sind entschlossen, wirtschaftliche Reformen umzusetzen und Einnahmen zu diversifizieren", bekräftigt dieser in einer im saudi-arabischen Fernsehen gezeigten Haushaltssitzung. Angesichts des prognostizierten Haushaltsdefizits für 2020 in Höhe von umgerechnet knapp 45 Milliarden Euro erhofft sich der Golfstaat dringend eine Steigerung des internationalen Interessens an Saudi Aramco-Aktien. Sollte der Aktienkurs des Konzerns Hand in Hand mit dem Chart des Ölpreises gehen, dürfte das allerdings schwierig werden – und sich die Geschichte mit dem größten Unternehmen der Welt früher oder später auserzählt haben. Angst, bald auf dem trockenen zu sitzen, brauchen potentielle Anleger immerhin nicht zu haben: Aramcos Reserven reichen noch 52 Jahre. Sollten sich Ölförderungsmaßnahmen verbessern und die Exploration steigen, vielleicht sogar noch länger. Zeit genug also, auch an internationalen Börsen zum Angriff zu blasen.
Wim Weimer
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