Letzte Ausfahrt Redmond?
Tech gerät an der Börse zusehends unter Druck. Auch die Microsoft-Aktie muss abgeben. Doch der Konzern ergreift mit der Übernahme des Spieleentwicklers Activision Blizzard die Flucht nach vorn. Nicht nur deshalb könnte das Papier mal wieder das sein, in das alle flüchten.
Tech gerät an der Börse zusehends unter Druck. Auch die Microsoft-Aktie muss abgeben. Doch der Konzern ergreift mit der Übernahme des Spieleentwicklers Activision Blizzard die Flucht nach vorn. Nicht nur deshalb könnte das Papier mal wieder das sein, in das alle flüchten.
Die seit Ausbruch des Coronavirus von Anlegern umjubelte Tech-Branche ist mit herben Verlusten ins neue Jahr gestartet. Eine Trendwende ist bislang nicht in Sicht. Tag um Tag kracht irgendwo ein Kurs ein. Besonders die einstigen Coronagewinner taumeln. Los ging es bei den ganz kleinen Unternehmen, die während der Pandemie erfolgreich eine Nische besetzten. Der Fitnessgerätehersteller Peloton hat auf Jahressicht inzwischen ein Minus von über 80 Prozent angehäuft. Die Aktie ist mit 24 US-Dollar nun sogar günstiger zu haben, als noch vor Pandemiebeginn. Vor ziemlich genau einem Jahr stand sie noch bei 165 Dollar. DocuSign, das Software für digitale Verträge bereitstellt, hat in den vergangenen drei Monaten die Hälfte seines Börsenwerts verloren. Der in der Pandemie gefeierte Videokonferenzanbieter Zoom hat seine Gewinne ebenfalls komplett abgegeben und steht nun bei rund 155 Dollar, wie schon einmal zu Beginn der Coronakrise. Das Rekordhoch bei 560 Dollar ist außer Sichtweite gerückt.
Netflix-Aktie verliert über 20 Prozent
Die Liste ließe sich noch ein ganzes Stück weit fortsetzten. Weiter geht es nun aber auch bei gestandenen Konzernen, wie Adobe Systems. Der Photoshop-Anbieter war im vergangenen Jahrzehnt ein Garant für steigende Kurse. Seit Dezember steht allerdings ein Minus von fast 30 Prozent zu Buche. Vorausgegangen war diesem Einsturz zwar eine beispiellose Rally, dennoch ist das schon eine Konsolidierung mit Crash-Tendenz. Frisch eingereiht in das sich ausbreitende Tech-Debakel hat sich nun die Netflix-Aktie. Trotz guter Zahlen rutschte die Aktie zwischenzeitlich um über 20 Prozent ab, nachdem der Streaming-Anbieter in Zukunft ein schwächeres Wachstum erwartet. Damit erreichte auch der Netflix-Kurs in etwa Vorkrisenniveau.
Noch immer sind das Ausrutscher einzelner Unternehmen. Doch noch vor wenigen Wochen wären die von Anlegern weit weniger hysterisch abgewatscht worden. Der Nasdaq100 hat seit Beginn des Jahres nun bereits elf Prozent verloren. Vor dem Hintergrund einer wohl bald strafferen Zinspolitik der Notenbanken, ist das einst so stabile Umfeld zu einem höchst zerbrechlichen Gebilde verkommen. Es reicht schon, wenn die Prognose nicht übertroffen wird – und schon flüchten Anleger in Scharen.
Zufluchtsort Microsoft?
Nur wohin? Wer nicht gleich ganz raus dem Wachstum und rein in Value will, dem könnte als Zufluchtsort ausgerechnet ein Tech-Konzern dienen. Microsoft nämlich ergreift inmitten der angespannten Gemengelage selbst die Flucht. Und zwar die nach vorn. Der Softwareriese um CEO Satya Nadella nutzte den stark eingebrochenen Kurs des Spieleentwicklers ActivisionBlizzard unter der Woche für ein Übernahmeangebot. 70 Milliarden US-Dollar will Microsoft zahlen. Ein teures Unterfangen, das sich der Konzern aus Redmond aber problemlos leisten kann.
Am Sinn dieser Übernahme zweifelt kaum jemand. Microsoft bastelt schon seit längerem an einem Netflix fürs Gaming und hat als Konsolenentwickler mit der Xbox beste Voraussetzungen dafür. Nach einigen kleineren Übernahmen, folgt nun die von ActivisionBlizzard. Geht der Deal durch, bringt sich Microsoft in einem der ganz großen Zukunftsmärkte in eine fast schon monopolartige Wettbewerbssituation. Zumindest auf den westlichen Märkten. Das könnte genau die richtige Portion erweiterte Wachstumsphantasie sein, die es gerade als Kursstütze braucht.
Gut oder sehr gut reicht aktuell schließlich nicht mehr, es braucht schon etwas Herausragendes. Microsoft könnte das mit der Ankündigung der Activision-Übernahme gelungen sein. Die Aktie kann sich der miesen Stimmung am Markt zwar nicht ganz entziehen, kommt bislang aber noch vergleichsweise gut mit den Bedingungen zurecht. Auf Dreimonatssicht hat die Aktie gerade einmal knapp zwei Prozent verloren. Der eher schwache Start ins neue Jahr geht noch locker als Konsolidierung durch, ein Crash bahnt sich hier (noch) nicht an.
Microsoft: Value und Growth in einem
Microsoft kann in der aktuellen Phase seine große Stärke ausspielen. Nämlich die Kombination aus wachstums- und zukunftsorientierten Geschäftsfeldern, wie der Gaming-Sparte oder der Cloud und eher stabilen, defensiveren Sparten, wie dem Windows- und Tablet-Geschäft. Microsoft ist entsprechend Wachstums- und Value-Aktie in einem. Seit 18 Jahren schüttet der Konzern eine Dividende aus, das erwartete KGV für das Geschäftsjahr 2021/22 liegt mit 32 im vertretbaren Bereich. Eine Reihe von wiederkehrenden Umsätzen sichern stabile Gewinne. Gleichzeitig wächst die Cloud-Sparte Azure mit hohem Tempo. Microsoft kauft clever zu und profitiert von der Querfinanzierungsmöglichkeit innerhalb des Konzerns.
Anleger könnten es deshalb wie Microsoft machen und Angriff als beste Verteidigung wählen. Sprich: Rücksetzer bei dieser Aktie als Kaufgelegenheiten betrachten. Oder zumindest als Aktionär nicht in Panik verfallen. Microsoft könnte wie schon so oft der Fels in der Brandung im Tech-Universum sein.
OG
Lesen Sie auch: Steigende Zinsen: Outperformance der Finanztitel könnte gerade erst begonnen haben