Wie weit fällt die Tesla-Aktie noch?
Der Start ins neue Jahr ging für Tesla-Aktionäre gründlich daneben. Die Papiere des E-Auto-Pioniers rutschten nach enttäuschenden Auslieferungszahlen in den ersten Handelstagen auf den tiefsten Stand seit August 2020 ab. Wann ist der Boden erreicht?
Der Start ins neue Jahr ging für Tesla-Aktionäre gründlich daneben. Die Papiere des E-Auto-Pioniers rutschten nach enttäuschenden Auslieferungszahlen in den ersten Handelstagen auf den tiefsten Stand seit August 2020 ab. Wann ist der Boden erreicht?
Das neue Jahr beginnt für Tesla an der Börse exakt so, wie das alte aufgehört hat. Es geht im Eiltempo bergab. Über 70 Prozent hat die Aktie des kalifornischen E-Auto-Herstellers innerhalb eines Jahres nun schon verloren. In den ersten Handelstagen 2023 rutschte der Kurs von 123,18 auf 109,35 US-Dollar ab, ein Minus von rund zwölf Prozent. Damit setzt sich ein rasanter Absturz fort. Noch im Herbst 2021 hatte Tesla in Sachen Marktkapitalisierung die Billionengrenze geknackt. Davon sind aktuell nur noch 338 Milliarden US-Dollar übrig.
Rückblickend muss man festhalten: Dieser Absturz war einer mit Ansage. Die Erwartungen der Anleger an Tesla waren schlicht völlig überzogen. Nun, rund ein Jahr später, belasten nicht nur Inflation, Zinserhöhung und Rezessionsangst den Kurs, Tesla stößt ganz offensichtlich auch an Wachstumsgrenzen. Die Zeiten, in denen die Kalifornier den Markt für E-Autos als First-Mover dominierten neigen sich dem Ende zu, besonders chinesische Hersteller haben aufgeholt und greifen nun auch im Ausland an. Und auch die deutschen Autobauer haben gerade noch rechtzeitig reagiert und produzieren nun E-Modelle in Serie.
Zwar wächst Tesla dennoch schnell, verkauft Jahr um Jahr mehr Autos, macht mehr Gewinn und Umsatz. Doch der ganz große Zauber, der die Marke zu Beginn umflog, scheint verflogen. Elon Musk könnte die Marke mit seinem seltsamen Gebaren rundum die Twitter-Übernahme sogar nachhaltig beschädigt haben. Der einst für seinen Pioniergeist gefeierte Innovator, fällt inzwischen häufiger mit kruden Thesen auf als mit begeisterndem technologischen Vorwärtsdrang. Dass die Menschen bewundernd neben einem Tesla stehen bleiben, scheint jedenfalls vorbei. Nicht nur, weil Musk seinen eigenen Ruf verspielt hat, sondern auch, weil Tesla zum Volumenhersteller aufgestiegen ist. Ein Tesla Model 3 auf der Straße ist längst keine besondere Entdeckung mehr.
Zumindest letztere Entwicklung ist nur logisch. Jedoch hatten sie Anleger schlicht nicht eingepreist. Während der Pandemie und der damit verbundenen beispiellosen Tech-Rally, in die Tesla seine ersten Jahre mit Gewinn einbrachte, wurde in den Köpfen vieler Investoren Tesla das neue Apple. Sie malten eine kunterbunte Zukunft in den Aktienkurs, die auf Mega-Wachstum, kaum Konkurrenz, Niedrigzinswelt und schlussendlich perfekte realwirtschaftliche Bedingungen setzte.
Es kam anders. Was nicht heißt, dass Tesla es nicht langfristig schaffen kann den Auto-Markt zu dominieren wie Apple den für Smartphones. Doch für den Moment gilt es erst einmal eine Durststrecke zu überstehen.
Zwar lieferte Tesla im vierten Quartal 2022 erneut deutlich mehr Autos aus, als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, nämlich 405.000. Analysten hatten jedoch im Schnitt mit 421.000 gerechnet. Im Gesamtjahr stehen damit Verkäufe von 1,31 Millionen Fahrzeuge in den Büchern. Das entspricht einem Plus von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allerdings war es Musk selbst, der ein Ziel von 50 Prozent plus ausgegeben hatte.
Dass dies und die Expertenerwartungen verfehlt wurden, ist die eine Sache, schwerer wiegt vor allem der Grund dafür. Diesmal waren es nicht wie früher häufig zu geringe Produktionskapazitäten, sondern schlicht eine zu geringe Nachfrage. Tesla musste sogar mit Preisnachlässen Kunden locken und verfehlte dennoch die Erwartungen, übrigens auch die eigenen. Aus den Kaufanreizen lasse sich zudem ableiten, dass insgesamt die Verkaufspreise zurückgehen, was die Profitabilität beinträchtige, schätzt JP Morgan-Analyst Ryan Brinkman. Tesla werde mit einem signifikanten Nachfrageproblem konfrontiert, urteilt Bernstein Research-Analyst Toni Sacconaghi. Diese dürfte 2023 so weitergehen und werde von Investoren nicht angemessen berücksichtigt.
Kann die Tesla-Aktie also noch weiterfallen? Tatsächlich sind die Papiere immer noch hoch bewertet. Die Marktkapitalisierung ist immer noch dreieinhalb mal so hoch, wie die von Mercedes. Allerdings hat Tesla im E-Auto-Bereich immer noch einen gewaltigen technologischen Vorsprung, besonders im Premium-Segment. Joseph Spak von RBC Capital schätzt, dass die Kalifornier dieses sogar noch weiter ausbauen können. Damit wird Tesla seinen Wettbewerbern auf Dauer wohl weiter Marktanteile wegnehmen können. Und das Wachstum von Tesla ist, auch wenn es die eigenen Erwartungen und die das Marktes gerade nicht mehr mitgehen kann, noch immer immens. Im dritten Quartal 2022 lag das Umsatzplus bei 56 Prozent. Der Nettogewinn stieg sogar um 103 Prozent auf 3,3 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einer sehr starken Umsatzrendite von 17 Prozent. Nach dem starken Kursrückgang liegt das KGV nun bei 33, für Teslas nach wie vor intakte Wachstumsaussichten kein völlig astronomischer Wert mehr.
Entscheidend für Tesla wird sein, wie sich der Markt für E-Autos weiterentwickelt. Der bekommt zumindest in Europa durch die hohen Strompreise einen Dämpfer. Auch viele Materialien und Rohstoffe werden teurer, da immer mehr Autobauer diese nun nachfragen. Dass dies nicht zwingend durch höhere Preise für die jeweiligen Autos an den Endkunden weitergegeben werden kann, merkt Tesla nun spätestens an den Auslieferungszahlen des vierten Quartals. Sollten alternative Antriebe mit Wasserstoff schneller den Durchbruch schaffen oder aufgrund der Energiekrise in Europa Verbrenner oder zumindest synthetische Kraftstoffe wieder populär werden, müsste Tesla die Erwartungen ans eigene Wachstum wohl noch einmal zurückschrauben. Das würde dann wohl auch eine Erholung des Aktienkurses nachhaltig unterdrücken.
OG
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