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KI-Investments: Wie sollten sich Anleger aufstellen?

(Foto: Shutterstock)

Langfristig orientierte Anleger sollten sich auf fundamentale Nutzenversprechen von Software im Hinblick auf die Steigerung der Effizienz und Innovationskraft von Unternehmen konzentrieren.

Von Hilary Frisch, CFA Director, Senior Research Analyst for Information Technology und Tom Mao, Research Analyst for Software Services & Enterprise Technology, ClearBridge Investments

Die Software-Branche durchläuft aktuell eine Umstellungsphase. Viele Anbieter sehen sich kurzfristig mit Herausforderungen durch makroökonomische Belastungen, neu entstehende Kundenforderungen und die rasante Entstehung neuer Technologien wie generativer KI konfrontiert. Diese Faktoren haben zwar zur Marktvolatilität beigetragen, doch aus unserer Sicht müssen langfristige Anleger die richtige Perspektive wahren und sich auf das fundamentale Nutzenversprechen von Software im Hinblick auf die Transformation der Unternehmenswelt konzentrieren.

Die Konjunktur kühlt ab, und unabhängig davon, ob eine weiche Landung mit schwachem Wachstum gelingt oder ob die Wirtschaft doch in eine Rezession abrutscht, führt dies zu Investitionszurückhaltung bei Kunden aus dem Enterprise-Segment (Großunternehmen). Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) ist die Vorsicht noch größer. Dadurch sind die Bewertungen von Software-Unternehmen im Vergleich zum S&P 500 Index unter Druck geraten. Software-Anbieter, die das KMU-Segment bedienen und 2023 eine relative Schwäche verzeichnen mussten, registrieren bei den bestehenden Kundenverträgen nach wie vor eine Abnahme der „Net Expansion Rate“ (zusätzliche Umsätze bei Bestandskunden). Man kann immer noch kaum vorhersagen, wann genau der Tiefpunkt der Unternehmensnachfrage erreicht sein wird. In vielen Fällen wird erst im zweiten Halbjahr oder sogar noch später mit dem Durchschreiten der Talsohle gerechnet.

Das KMU-Segment ist zyklischer als das Enterprise-Segment, für KMU sind die Ausgaben für Software oft eher Ermessensausgaben. Die über längere Zeit höheren Zinsen haben zu verschärften Kreditkonditionen geführt, darunter leiden insbesondere kleinere Unternehmen. Kunden haben sich auch etwas zurückgenommen, nachdem die Zunahme der Arbeit im Homeoffice während der Corona-Pandemie zu umfangreichen Software-Käufen geführt hatte. Gleichzeitig schadet das schwächere Wachstum der Beschäftigtenzahlen generell den Anbietern von Cloud-Software. Bei dieser Gruppe dürften die schwierigen makroökonomischen Bedingungen dafür sorgen, dass eine Erholung erst im vierten Quartal oder sogar erst 2025 eintritt. In den oberen Marktsegmenten der größeren Kunden sind Produktfokus, die Einstellung von Vertriebsmitarbeitern und die richtige Führung erforderlich. Wir stufen das KMU-Segment als sehr idiosynkratisch ein und würden uns auf die Unternehmen konzentrieren, die die beste Geschäftsausführung zeigen.

Uneinheitliche Signale im Enterprise-Geschäftssegment

Im Bereich der Enterprise-Software hat KI für viel Aufregung bei den zentralen Entscheidungsträgern gesorgt, ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen und dazu geführt, dass Mittel aus IT-Budgets neu zugewiesen wurden. Diese Trends entwickeln sich inzwischen unterschiedlich, abhängig davon, ob das Geschäftsmodell des jeweiligen Software-Anbieters auf nutzerabhängiger Software-as-a-Service (SaaS) oder auf verbrauchsabhängiger Cloud-Software basiert. Bei SaaS-Verträgen haben einzelne Nutzer eine Lizenz, der Umsatz wird anteilig über die Laufzeit des Vertrags erfasst. Enterprise-SaaS-Verträge laufen oft über drei Jahre. Die Anbieter verzeichnen inzwischen einen Umsatzrückgang bei Vertragsverlängerungen, da die Zahl der Nutzer nun niedriger ist als noch vor einigen Jahren. Unseres Erachtens unterschätzt der Markt derzeit, wie stark sich dieser Faktor auf die Performance von Aktienkursen auswirkt. SaaS-Anbieter können ihren Kunden zwar über Cross-Selling mehr Serviceleistungen verkaufen, doch die Auswirkungen der stark rückläufigen Nutzerzahlen werden dadurch nicht vollständig neutralisiert.

Am Ende des ersten Quartals 2024 kamen mehrere Verträge nicht zustande, darunter auch einige große Verträge der größeren SaaS-Anbieter. Vorausgegangen war ein stärkeres viertes Quartal 2023, das einige Branchenbeobachter dazu veranlasst hatte, daraus einen Trend für das Jahr 2024 abzuleiten. Durch die Begeisterung über die Vorteile generativer KI und den Druck, mit der Konkurrenz Schritt zu halten, haben Enterprise-Kunden bei ihren IT-Budgets neue Prioritäten gesetzt. Dies führte dazu, dass vorübergehend keine Mittel für Software ausgegeben wurden, und dies hat sich in der unterschiedlichen Performance der Unternehmen im IT-Sektor niedergeschlagen.

Zu den Unternehmen mit verbrauchsabhängigen Geschäftsmodellen wie den Anbietern von Cloud-Software gehören auch zahlreiche Anbieter von innovativer Datenbank- und Datenanalyse-Software. Die verbrauchsabhängigen Geschäftsmodelle erfassen die Umsätze nach der Menge der verbrauchten Cloud-Ressourcen, die Abrechnung erfolgt in der Regel rückwirkend. Mit dem Abklingen der Corona-Pandemie hat auch die Nachfrage nachgelassen. Cloud-Anbieter räumten ihren Kunden entsprechende Vertragsanpassungen ein, daher haben sie den Großteil der negativen Auswirkungen der makroökonomischen Abkühlung und der Optimierungsmaßnahmen bereits überwunden.

Unseres Erachtens ist der Cloud-basierte Verbrauch ein besserer Maßstab für die Lage in der Software-Branche, denn er liefert Echtzeit-Aktivitätsindikatoren. Angesichts der zuletzt sehr guten Ergebnisse der Cloud-Anbieter sind wir daher der Ansicht, dass die zugrunde liegenden Fundamentaldaten der Branche besser sind, als es die jüngsten Zahlen der SaaS-Unternehmen vermuten lassen. KI-Angebote für diese Gruppe kommen gerade erst auf den Markt, und das führt zu einer beschleunigten Zunahme der Neuaufträge. Dies ist letztlich ein positives Signal für den zukünftigen Verbrauch. Andererseits habe die meisten Cloud-Anbieter einen konservativen Geschäftsausblick präsentiert, da sie in den vergangenen 18 Monaten durch Preisnachlässe bei Verträgen stark unter Druck gestanden hatten.

Sowohl bei SaaS- als auch bei Cloud-Software-Anbietern kommt die wachsende Bedeutung von KI zu einer Zeit, in der die Software-Vertragsverlängerungen zurückgehen und sich das Nutzungswachstum nach den Corona-bedingten Ausgabenexzessen wieder normalisiert. Nach unserer Auffassung dürften diese vorübergehenden Faktoren kaum dazu führen, dass die Geschäfte von SaaS-Anbietern dauerhaft Schaden nehmen oder ganz wegfallen. Tatsächlich waren viele der jüngsten Gewinnenttäuschungen auf den Zeitpunkt oder die Verschiebung von Aufträgen zurückzuführen, nicht auf entgangene Geschäfte. Allerdings können die meisten SaaS-Anbieter nach wie vor nicht sicher sagen, wann genau eine Erholung einsetzen wird. Möglicherweise wird es noch zu weiteren Abwärtskorrekturen der Vorgaben kommen, bevor eine Stabilisierung einsetzt.

Bei SaaS-Anbietern kommt es nach dem pandemiebedingten stärkeren Ausgabenwachstum bei den Verlängerungen dreijähriger Verträge nun zu einer Reduzierung der Nutzerzahlen. Dies wird die Anbieter von Enterprise-Software zusätzlich belasten, und diese Negativwirkung wird von den Anlegern unterschätzt. Der Personalbestand der Kunden ist nicht, wie von den Software-Herstellern erwartet, im niedrigen bis mittleren Zehnprozentbereich gestiegen. Die ersten großen Verträge der Digitalisierungswelle wurden nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie unterzeichnet, damals waren auch die Finanzierungsbedingungen lange nicht so restriktiv wie aktuell.

Bei den Anbietern von Enterprise-Software ist es insbesondere aufgrund der Maßnahmen von zwei großen Software-Anbietern zu zusätzlicher Verdrängung und zu Investitionsverschiebungen gekommen. Der deutsche Anbieter von System-Analyse-Programmen (SAP) lässt frühere Versionen seiner Software allmählich auslaufen. Kunden müssen daher Upgrades auf die neuesten Software-Versionen vornehmen und damit von einem unbefristeten Lizenz- und Wartungsvertrag auf ein Modell mit deutlich höheren wiederkehrenden Abonnementgebühren (oft das Zwei- bis Dreifache des Preises des Wartungsvertrags) umstellen. Ein anderer Anbieter hat – mit relativ kurzer Vorankündigung – bei der installierten Basis des vor Kurzem übernommenen Software-Geschäfts für Cloud- und Rechenzentrumsmanagement einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Auch hier kommt es damit zu einer Umstellung von unbefristeten Lizenzen auf SaaS-Abonnements, die ebenfalls mit einer beträchtlichen Preissteigerung verbunden ist. Beide Anbieter sind im hochpreisigen Segment angesiedelt; unseres Erachtens wird es mittelfristig zu Verdrängungseffekten am Markt kommen.

Vertrauen in die langfristige Transformation

Im Kern beruht die Software-Branche auf dem Grundsatz, dass Technologie genutzt wird, um komplexe Geschäftsprobleme zu lösen, Prozesse zu automatisieren und Innovationen voranzutreiben. Trotz der aktuellen Herausforderungen gilt dieses grundlegende Nutzenversprechen nach wie vor. Unternehmen aus allen Branchen investieren weiterhin in Maßnahmen für den digitalen Wandel, um auch in einer zunehmend datengestützten und automatisierten Welt wettbewerbsfähig zu bleiben.

Generative KI steht zwar noch ganz am Anfang der Erprobung ihrer Anwendungsmöglichkeiten und der tatsächlichen Nutzung, doch sie treibt die Transformation der Unternehmenswelt maßgeblich voran. Die Ausbreitung von Software-basierter KI wird ihrerseits selbst durch einige interessante Faktoren gebremst, wird sich aber kontinuierlich fortsetzen, wenn auch langsamer als ursprünglich gedacht. Die erste Jahreshälfte liegt hinter uns. Nun dürften die typischen saisonalen Schwankungen bei den Ergebnissen von Software-Unternehmen zu beobachten sein, nachdem die Unternehmen zuletzt ihre Prognosen stärker als erwartet gesenkt haben. Die Software-Branche liegt derzeit auf einem 20-Jahrestief gegenüber der Halbleiterbranche. Die aktuelle Situation erinnert stark an die Verkaufswelle bei Software-Unternehmen im Jahr 2016, auf die eine Phase mit starken Gewinnen folgte. Es könnte einige Zeit dauern, aber die Erfahrung lehrt uns, dass das größte KI-Wertpotenzial auf Software-Ebene entstehen wird.

Die momentane Umstellungsphase in der Software-Branche mag für einige Anbieter kurzfristig schmerzliche Auswirkungen haben. langfristig orientierte Anleger dürfen jedoch ihren Glauben an die transformative Kraft von Software und die immer neuen Möglichkeiten für Wachstum und Wertschöpfung in der Branche nicht verlieren. Wenn sich Anleger auf Unternehmen mit einem starken Produktangebot, einer differenzierten Marktstellung und der nachweislichen Fähigkeit zur Umsetzung ihrer Wachstumsstrategien konzentrieren, dann können sie sich dadurch so positionieren, dass sie von den langfristigen Trends, die die Branche antreiben, profitieren. Letztlich ist und bleibt die Software-Branche ein entscheidender Wegbereiter für Transformationen und Innovationen in der Unternehmenswelt. Unternehmen, die die aktuellen Herausforderungen meistern und gestärkt daraus hervorgehen, werden gut aufgestellt sein, um in den kommenden Jahren erheblichen Shareholder Value zu schaffen.

 

 

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