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Märkte > Der Trump-Crash

4 Realitätsschocks bringen US-Börsen ins Wanken

Investoren müssen ihre Portfolios neuen Realitäten anpassen. (Foto: Picture Alliance / Associated Press / Richard Drew)

Die Wall-Street erlebt den größten Ausverkauf seit Langem. In kürzester Zeit gingen Billionen US-Dollar an Marktwert flöten. Investoren dämmert: vieles könnte schlechter laufen als gedacht.

Am 19. Februar noch auf Rekordhoch notierend, hat der S&P 500 seither mehr als vier Billionen US-Dollar an Marktwert verloren. Das Kursminus in diesem Zeitraum liegt bei über neun Prozent, der stärkste Rückgang seit September 2022. An den US-Börsen bricht sich ein besorgniserregender Winterschlussverkauf Bahn. Einzelne Aktien, wie die von Tesla sind in weniger als drei Wochen um fast 40 Prozent gefallen. Unter Anlegern wächst die Unruhe. Der CBOE-Volatilitätsindex erreichte jüngst den höchsten Stand seit August vergangenen Jahres. Donald Trumps erste 50 Tage nach seiner Rückkehr als US-Präsident wurden von fast sechs Prozent Minus im S&P 500 begleitet. Nichts wurde es mit einer Fortsetzung der Aktien-Rally, wie sie sich viele Anleger mit Trump im Weißen Haus erhofft hatten. Ganz im Gegenteil: nach einem jahrelangen Boom strauchelt der US-Aktienmarkt, während in Europa die Kurse steigen oder immerhin stabil bleiben. Der Dax hat seit dem 19. Februar rund drei Prozent zugelegt, der Eurostoxx50 kaum an Wert verloren. So etwas gab es lange nicht.

Das Problem: die gute Performance des Dax hilft dem Gesamtmarkt am Ende wenig, wenn in den USA die großen Indizes fallen. US-Aktien haben im MSCI World einen Anteil von 73 Prozent. Ein so deutlicher Kursrückgang an der Wall-Street lässt daher immer die Alarmglocken schrillen. Investoren sorgen sich vor einer Ausweitung des Crashs, womöglich weil ihnen dämmert: vieles könnte unter der Regierung Trump schlechter laufen als bislang angenommen. Es ließe sich auch so sagen: Innerhalb kürzester Zeit sind eine ganze Reihe sehr hoffnungsfroher Erwartungen auf eine sehr brutale Wirklichkeit geprallt. Vier Realitätsschocks haben die US-Börsen ins Wanken gebracht.

Realitätsschock Eins: Trumps Zollpolitik sorgt für viel mehr Unruhe als gedacht

„Für alle, die nicht mehr durchblicken: Die US-Zölle gegen Kanada wurden am Dienstag eingeführt, am Mittwoch verschärft, am Donnerstag verschoben und am Freitag aufgestockt“, erklärte Michael Brown, Stratege beim Onlinebroker Pepperstone, kürzlich die Lage rundum Trumps Zollpolitik. „In einem solchen Umfeld ist es für die Marktteilnehmer unmöglich, das Risiko einzuschätzen“, so Brown weiter. Das sorgt für Nervosität, denn so war das in den Köpfen vieler Anleger nicht geplant. „Die Märkte haben unterschätzt, wie viel Unruhe Trump stiftet“, bringt es Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers, auf den Punkt. Kaum ein Tag vergeht, an dem der US-Präsident nicht irgendeinem Land mit Zöllen droht, nur um kurz darauf wieder zurückzurudern. Auf bereits eingeführte Zölle folgen derweil Gegenzölle der betroffenen Staaten, woraufhin Trump seinerseits noch höhere Zölle erhebt. So drohte Trump jüngst mit einem Zoll von 200 Prozent auf europäische Getränkeimporte, sollte die EU nicht den Zoll auf amerikanischen Whiskeys zurücknehmen. Letzteren hatten die Europäer wiederum als Reaktion auf Trumps Aluminium- und Stahlzölle eingeführt. Statt internationaler Handelspolitik auf Basis volkwirtschaftlicher Grundlagen, wird gefeilscht wie auf dem Bazar. „Trump galt als Retter der Märkte, als er niedrigere Steuern und weniger strikte Regulierung versprach, jetzt aber stellt sein Handeln ein Omen für düstere Zeiten dar“, sagt Dan Coatsworth, Investmentanalyst bei AJ Bell in London. Die Leute fragten sich, inwieweit die Zölle nach hinten losgehen und eine Rezession auslösen könnten, statt den Wohlstand im Land zu erhöhen, so der Experte weiter.

Realitätsschock Zwei: Trumps Politik könnte eine Rezession zur Folge haben

Die Angst vor der „Trumpcession“ geht um. Statt Wirtschaftswachstum, droht Trump in seinem ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident eine ausgeprägte Rezession. „Die Stimmung an den Märkten hat sich schnell vom Optimismus nach den US-Wahlen zu ernsthaften Rezessionsängsten gewandelt, die durch die anhaltende politische Unsicherheit und eine Reihe schwacher Wirtschaftsdaten genährt werden“, sagt Tony Sycamore, Marktanalyst bei IG. Die FED Atlanta rechnet für das erste Quartal nun mit einem Minuswachstum in Höhe von 2,8 Prozent, statt wie ursprünglich mit einem Wachstum von 2,3 Prozent. Bruce Kasman, Chefvolkswirt bei JP Morgan, erhöhte die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession in seinen Schätzungen von 30 auf 40 Prozent. Damit geht er zwar nach wie vor davon aus, dass es nicht so weit kommt, schrieb aber: „Wenn wir diesen Kurs einer noch disruptiveren, wirtschaftsfeindlicheren Politik weiterverfolgen, werden die Rezessionsrisiken meiner Meinung nach steigen.“

Trump selbst schließt eine Rezession nicht aus. Auf die Frage ob er damit rechne, sagte er im Interview mit Fox News: „Ich hasse es, Dinge so vorherzusagen. Es gibt eine Übergangszeit, denn was wir tun, ist sehr groß – wir bringen den Wohlstand zurück nach Amerika.“ Dies brauche „ein wenig Zeit“. Am Markt glaubt Trump das derzeit kaum jemand, das Interview beschleunigte den Ausverkauf an den US-Börsen nur noch. „Ich denke, das ist ein großer Weckruf für die Wall Street“, sagte Ross Mayfield, Investmentstratege bei der Vermögensverwaltung Baird. „Die Trump-Regierung scheint die Idee ein wenig mehr zu akzeptieren, dass es für sie in Ordnung ist, wenn der Markt fällt, und dass sie möglicherweise sogar mit einer Rezession einverstanden ist, um ihre übergeordneten Ziele durchzusetzen.“

Investoren haben auf Wachstum und sinkende Zinsen infolge weiter fallender Inflationsraten gehofft. Nun drohen eine Rezession bei stagnierenden Zinsen aufgrund steigender Inflationssorgen. Das hatten Investoren so nicht auf dem Zettel. Unter anderem Goldman Sachs, J.P. Morgan, Citibank und HSBC senkten kürzlich ihre Kursziele für US-Aktien.

Realitätsschock Drei: Die Bewertungen der US-Tech-Aktien sind zu hoch

Auf die hohen Bewertungen von US-Tech-Aktien, insbesondere die der Magnificent Seven, darunter Tesla, Meta, Alphabet, Apple, Amazon, Nvida und Microsoft, wurde am Markt zuletzt häufig hingewiesen. Jedoch sorgte die KI-Euphorie am Markt gleichzeitig für gigantische Wachstumsfantasien, womit sich die Bewertungen in den Köpfen vieler Anleger rechtfertigen ließen. Dann kam DeepSeek, jetzt die Sorge vor einer US-Rezession und womöglich weniger stark fallenden oder sogar wieder steigenden Zinsen. Die Bewertungen der Tech-Konzerne lassen jedoch keinen Spielraum für schlechte Nachrichten, womit die Fallhöhe groß ist, treten diese plötzlich doch auf.

Die Nvidia-Aktie verlor seit Trumps Amtsantritt über 15 Prozent an Wert, bei Tesla summiert sich das Minus inzwischen auf fast 50 Prozent. Der technologielastige Nasdaq100 hat insgesamt fast zehn Prozent eingebüßt. Die Aktien, die die US-Börsen und auch die Weltbörsen seit vielen Jahren maßgeblich zu neuen Rekorden gepusht haben, sorgen jetzt für den Ausverkauf. Ihre Marktkapitalisierung ist so hoch, dass sie maßgeblich die Richtung bestimmen, in die sich die großen Indizes bewegen. Investoren bringen ihre Gewinne in Sicherheit und stecken sie in defensive Value-Werte, was wiederum die im Vergleich stabilen europäischen Börsen erklärt, da es dort vieler solcher Value-Aktien gibt.

Realitätsschock Vier: Die US-Schulden werden zum Problem  

Lange ignoriert, rücken mit den Rezessions- und Inflationssorgen die hohen US-Staatsschulden vermehrt in den Fokus von Investoren. Die Vereinigten Staaten zahlen derzeit eine Billion Dollar Zinsen pro Jahr. Die Verschuldung liegt bei 120 Prozent der Wirtschaftsleistung, was astronomischen 35 Billionen Dollar entspricht. „Ich denke, die USA könnten in etwa drei Jahren pleite sein“, sagte Ray Dalio, Gründer des weltgrößten Hedgefonds Bridgewater Associates, jüngst im Interview mit dem Handelsblatt. Zum Kollaps könnte es kommen, wenn Investoren beginnen würden sich Sorgen zu machen und US-Staatsanleihen verkauften, so Dalio. „Wir sehen zwar bereits erste Anzeichen für eine solche Marktentwicklung, aber ich kann nicht genau sagen, wann sie sich zuspitzen wird. Ich kann nur sagen, dass die Risiken schnell zunehmen und ernst zu nehmen sind.“

Der Goldpreis stieg unter der Woche erstmals über die Marke von 3.000 US-Dollar je Unze. Eine Folge der sich zuspitzenden Handelskonflikte, aber womöglich auch der US-Staatsverschuldung. Schließlich steigt der Goldpreis schon seit Monaten überproportional stark an.

 

 

 

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