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Ottobock-Börsengang: Erfolgreiches Debüt, doch die Aktie ist zu teuer

| Thomas Behnke

Frau mit Ottobock Taleo Adjust Prothesenfuß in Alltagssituation – Symbol für moderne Medizintechnik und Bewegungsfreiheit.
Moderne Prothetik von Ottobock: Der Taleo Adjust Prothesenfuß steht für Bewegungsfreiheit und technologische Innovation – Sinnbild für die Stärke des Medizintechnikunternehmens. (Foto: Ottobock)

Der Prothesenspezialist Ottobock feiert ein starkes Börsendebüt. Doch die Bewertung der Aktie ist hoch. Die Börse am Sonntag beleuchtet Chancen und Risiken des größten deutschen IPO des Jahres 2025.

Der Medizintechnikhersteller Ottobock SE & Co. KGaA (ISIN: DE000BCK2223) hat am Donnerstag, den 9. Oktober 2025, den Schritt an die Börse gewagt – und das mit beachtlichem Erfolg. Der Ausgabepreis lag mit 66 Euro am oberen Ende der Spanne von 62 bis 66 Euro, die Erstnotiz auf Xetra erfolgte bei 72 Euro, zwischenzeitlich wurde sogar ein Tageshoch von 73 Euro erreicht. Anleger zeigten also gleich zu Beginn reges Interesse. Man kann von einem gelungenen Börsenstart sprechen. Die entscheidende Frage lautet jedoch: Ist die Ottobock-Aktie zum aktuellen Kurs tatsächlich ein lohnendes Investment?

Größter deutscher Börsengang des Jahres

Ursprünglich wollte Ottobock bereits 2022 an die Börse, sagte das Vorhaben damals aber ab. Nun hat es geklappt. Insgesamt wurden rund 13,83 Millionen Aktien angeboten, einschließlich einer Mehrzuteilungsoption. Davon stammen etwa 1,515 Millionen Stück aus einer Kapitalerhöhung, der Rest aus dem Bestand des bisherigen Alleineigentümers, der Näder Holding. Sie verwaltet die Beteiligungen der Unternehmerfamilie um Milliardär Hans Georg Näder.

Mit einem maximalen Platzierungsvolumen von rund 807 Millionen Euro ist der Ottobock-IPO der bislang größte Börsengang des Jahres am deutschen Aktienmarkt. Der Streubesitz liegt bei rund 19,3 Prozent. Das Listing im Prime Standard der Deutschen Börse schafft zudem die Basis für eine mögliche Aufnahme in die DAX-Indexfamilie.

Aus der Kapitalerhöhung fließen Ottobock selbst rund 100 Millionen Euro an frischem Geld zu, das vor allem in weitere Akquisitionen und Investitionen fließen soll. CEO Oliver Jakobi sprach anlässlich des Börsendebüts von einem Meilenstein in der Unternehmensgeschichte: „Seit mehr als 100 Jahren steht Ottobock für Innovation und Verantwortung gegenüber den Menschen, die wir versorgen. Mit dem Börsengang schaffen wir die Grundlage, um diese Tradition in die Zukunft zu tragen.“

Hightech für mehr Bewegungsfreiheit

Ottobock ist kein Newcomer im klassischen Sinn. Das Unternehmen wurde 1919 in Berlin gegründet und hat sich seither zu einem der weltweit führenden Anbieter für Prothetik, Neuroorthetik, Exoskelette und digitale Lösungen entwickelt. Heute ist der Konzern in 45 Ländern aktiv und betreibt das größte internationale Patientenversorgungsnetzwerk mit rund 400 Zentren.

Ob Prothesen, Orthesen, Rollstühle oder Exoskelette – im Mittelpunkt steht stets die Verbesserung der Mobilität und Lebensqualität der Nutzer. Mit mehr als 2.600 Patenten und Patentanmeldungen sowie einer hohen Forschungs- und Entwicklungsquote gilt Ottobock als globaler Technologieführer in der „Wearable Human Bionics“.

Seit der Gründung hat das Unternehmen mehrfach Maßstäbe gesetzt: von der ersten industriellen Fertigung von Prothesenteilen über das mikroprozessorgesteuerte Kniegelenk C-Leg, das sich heute sogar per App steuern lässt, bis zur computergesteuerten Beinorthese C-Brace oder der mehrgelenkigen Hand bebionic. Auch mit der Exoskelett-Familie Paexo für ergonomische Arbeitsplätze zeigt Ottobock, dass Innovation und Alltagstauglichkeit kein Widerspruch sein müssen.

Fortschritt mit Tradition

Die Kombination aus technologischem Fortschritt und sozialer Verantwortung ist tief in der DNA des Unternehmens verankert. Ottobock steht für den Anspruch, Bewegung zu ermöglichen, Lebensqualität zu verbessern und Unabhängigkeit zu fördern. Genau das macht den Konzern für viele Investoren interessant, die auf nachhaltige, wachstumsstarke Medizintechnik setzen. Doch auch das überzeugendste Geschäftsmodell muss sich an Zahlen messen lassen. Ein Blick auf Umsatz, Ertrag und Bewertung zeigt, welche Erwartungen der aktuelle Börsenwert von rund 4,6 Milliarden bereits widerspiegelt und bildet damit den Ausgangspunkt für die Ottobock-Börsengang-Analyse.

Ottobock: Zahlen, Bewertung und Realität

Das Unternehmen erzielte 2024 einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro und ein EBIT von 143,3 Millionen Euro, was einer Marge von 8,9 Prozent entspricht. Das Nachsteuerergebnis betrug 27,9 Mio. Euro, bereinigt um Sondereffekte waren es 96,8 Millionen Euro. 

Im ersten Halbjahr 2025 kam Ottobock auf 800,6 Millionen Euro Umsatz und ein EBIT von 66,2 Millionen Euro. Die Marge lag bei 8,3 Prozent, der Überschuss betrug 28 Millionen Euro. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr ergibt das, mit den üblichen Unsicherheiten einer solchen Schätzung, einen realistischen Gewinn von rund 56 Millionen Euro, was einem Ergebnis je Aktie von etwa 0,88 Euro entsprechen würde.

Damit ergibt sich beim aktuellen Kursniveau ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 80, was ein stolzer Wert ist. Selbst bei Ansatz eines bereinigten Gewinns von 100 Millionen Euro läge das KGV immer noch deutlich über 40. Für ein Unternehmen mit soliden, aber nicht exponentiellen Wachstumsraten ist das sehr ambitioniert.

Besser ist das Bild beim Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV). Auf Basis der bisherigen Zahlen ergibt sich hier ein Wert von rund 17, was moderat erscheint, aber dennoch eine jährliche Cashflow-Steigerung von über 15 Prozent voraussetzen würde, um die aktuelle Bewertung langfristig zu rechtfertigen. Als ausgewiesenes Schnäppchen kann die Ottobock-Aktie damit nicht gelten, was so kurz nach einem Börsengang allerdings kaum überrascht. Schließlich wird bei einem IPO in der Regel versucht, den Kapitalzufluss durch möglichst hohe Platzierungspreise zu maximieren.

Ottobock: Gutes Unternehmen, teure Aktie

Fachlich und technologisch ist Ottobock ein Aushängeschild deutscher Ingenieurskunst und medizinischer Innovation. Die Kombination aus starkem Markenimage, kontinuierlicher Forschung und Entwicklung sowie einem wachsenden globalen Versorgungsnetzwerk sorgt für stabile Perspektiven.

Für langfristig orientierte Anleger mit Geduld und Vertrauen in das Geschäftsmodell könnte die Aktie daher grundsätzlich interessant sein. Wer jedoch auf der Suche nach einem klassischen Value-Investment ist, dürfte sich an der hohen Bewertung stören.

Kurz gesagt: Ottobock steht für Hightech mit Herz, an der Börse jedoch derzeit für einen hohen Preis. Ein spannender Börsenneuling, doch ein Einstieg auf dem aktuellen Niveau will wohlüberlegt sein. Kursrücksetzer könnten langfristig orientierten Anlegern attraktivere Einstiegschancen bieten.

FAQ: Was Anleger über die Ottobock-Aktie wissen sollten

Wann fand der Börsengang von Ottobock statt?
Der IPO erfolgte am 9. Oktober 2025 an der Frankfurter Wertpapierbörse.

Zu welchem Preis wurde die Aktie ausgegeben?
Der Ausgabepreis lag bei 66 Euro und damit am oberen Ende der vorgesehenen Spanne von 62 bis 66 Euro.

Wie verlief der Handelsstart?
Die Erstnotiz auf Xetra lag bei 72 Euro, das Tageshoch bei 73 Euro. Damit legte die Aktie einen erfolgreichen Börsenstart hin.

Wie hoch ist die aktuelle Bewertung?
Ottobock bringt es auf eine Marktkapitalisierung von rund 4,6 Milliarden Euro. Das entspricht einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von etwa 80 – ein sehr ambitionierter Wert.

Was macht das Unternehmen genau?
Ottobock entwickelt Prothesen, Orthesen, Rollstühle und Exoskelette für Menschen mit eingeschränkter Mobilität und gilt als Technologieführer in der sogenannten Wearable Human Bionics.

Wie liefen die jüngsten Geschäftszahlen?
2024 erzielte Ottobock einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro bei einer EBIT-Marge von 8,9 Prozent. Im ersten Halbjahr 2025 lag die Marge bei 8,3 Prozent.

Was spricht für ein Investment in Ottobock?
Das Unternehmen ist innovativ, international aufgestellt und in einem wachsenden Zukunftsmarkt aktiv. Es verfügt über eine starke Marke, hohe Forschungsausgaben und stetig steigende Nachfrage.

Was spricht dagegen?
Die Aktie ist derzeit hoch bewertet. Kurzfristig könnte das die Kursentwicklung bremsen.

Wie lautet das Fazit?
Ottobock überzeugt operativ und technologisch, die Aktie jedoch ist kein Schnäppchen. Für langfristig orientierte Anleger mit Geduld kann sich ein Einstieg nach möglichen Kursrücksetzern lohnen.

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