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Märkte > Inflation, Rezession, Staatsschulden

Was 2025 alles schiefgehen kann

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Richard Drew)

An der Börse geraten die Ausblicke auf das neue Jahr recht optimistisch. Doch es gibt viele Risiken.

Eine Analyse von Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank und Dr. Ralph Solveen, Stellv. Leiter Economic Research Commerzbank

Fed auf einem schmalen Grat

Für die US-Notenbank dürfte das kommende Jahr nicht einfach werden. Denn die Inflation wird wohl auch im kommenden Jahr über ihrem Ziel von 2% liegen. So ist die Wirtschaft weiter hoch ausgelastet, was für weiter recht kräftig steigende Löhne spricht, die die Unternehmen wohl weitgehend an ihre Kunden weitergeben werden. Hinzu kommt die sich abzeichnende Wirtschaftspolitik der neuen Trump-Administration. Die geplanten deutlich höheren Zölle und die expansivere Finanzpolitik würden den Inflationsdruck voraussichtlich merklich verstärken.

Bei der Reaktion auf den Anstieg der Inflation wird sich die Fed auf einem schmalen Grat bewegen. Erhöht sie die Zinsen spürbar, würde dies die Finanzmärkte stark belasten. Schließlich hat die Aussicht auf niedrigere Zinsen die sehr positive Entwicklung der Aktienmärkte in den vergangenen Monaten zumindest mit angeschoben, und derzeit ist an den Terminmärkten keine Zinserhöhung eingepreist. Andererseits könnte auch ein Stillhalten der Fed trotz anziehender Inflation an den Finanzmärkten für Unruhe sorgen und die Inflationserwartungen steigen lassen, insbesondere wenn der Verdacht bestünde, dass die Fed politischem Druck nachgeben würde.

Dies würde voraussichtlich insbesondere am Rentenmarkt tiefe Spuren hinterlassen. Wir gehen davon aus, dass die Fed diese Gratwanderung erfolgreich absolvieren wird. Gegen Zinserhöhungen spricht, dass sich die Fed damit in einen offenen Konflikt mit der Regierung begeben würde. Die dann zu erwartenden Angriffe aus dem Weißen Haus würden wahrscheinlich manchen Investor daran zweifeln lassen, dass die Fed ihre Unabhängigkeit auf Dauer behaupten könnte. Darum gehen wir davon aus, dass sie auf die höhere Inflation nicht mit Zinserhöhungen reagieren wird.

Allerdings dürfte sie den Zinssenkungszyklus bereits bei einem Leitzins von 4% beenden und darauf hinweisen, dass sich der Zins damit immer noch auf einem eher restriktiven Niveau befindet. Die Anleger dürften ihr das abnehmen und ihre langfristigen Inflationserwartungen nicht nach oben revidieren. Schließlich genießt die Fed an den Märkten großes Vertrauen. So blieben die Inflationserwartungen der Anleger selbst dann gut verankert, als die Notenbank auf den Inflationsschock 2022 zunächst zögerlich reagierte.

Rezession im Euroraum?

Während die US-Wirtschaft weiter recht kräftig wächst und damit Inflationsgefahren heraufbeschwört, ist im Euroraum von der allgemein erwarteten Belebung noch nichts zu sehen. Vielmehr ist der Einkaufsmanagerindex für die Industrie und das Dienstleistungsgewerbe im November erneut gefallen und befindet sich nun auf einem Niveau, bei dem sich die Euroraum-Wirtschaft in früheren Zyklen zumeist in einer Rezession befand (Chart 1). Darum ist nicht auszuschließen, dass die Euroraum-Wirtschaft vor einer Belebung erst noch in eine
Rezession abrutscht. Denn potenzielle Belastungsfaktoren gibt es genug: Die schwache Nachfrage aus China, drohende Zölle der USA auf Einfuhren aus Europa und die in einigen Euro-Ländern wie Frankreich und Italien dringend gebotene Konsolidierung der Staatsfinanzen.

Allerdings dürfte der größte Belastungsfaktor der vergangenen beiden Jahren mehr und mehr an Bedeutung verlieren: die massiven Zinserhöhungen der EZB zwischen Sommer 2022 und Herbst 2023. Inzwischen dürfte sich die Wirtschaft weitgehend daran gewöhnt haben, dass Fremdkapital wieder einen deutlich höheren Preis hat. Die bei den höheren Zinsen nicht mehr rentablen Projekte dürften weitgehend eingestellt worden sein, sodass dieser Anpassungsprozess das Wachstum nicht mehr bremst. Vielmehr dürften sich im Verlauf des kommenden Jahres mehr und mehr die seit dem Sommer erfolgten Zinssenkungen der EZB und vieler anderer Notenbanken positiv bemerkbar machen und eine – wenn auch schwache – Belebung der Konjunktur anschieben (Prognose Euroraum 2025: 0,9%).

Euroraum: Kehren Deflationsängste zurück?

Auf den ersten Blick ist das Inflationsproblem im Euroraum noch nicht gelöst. Schließlich lag die Kerninflation (ohne Energie, Nahrungs- und Genussmittel) zuletzt mit 2,7% noch immer merklich über dem 2%-Ziel der EZB. Wenn trotzdem einzelne EZB-Ratsmitglieder bereits vor einem Unterschießen der Inflation warnen, dann haben sie die kürzerfristige Inflationsdynamik im Blick. Tatsächlich sind die Kern- Verbraucherpreise in den letzten drei Monaten auf Jahresrate hochgerechnet nur noch um 1,2% gestiegen (Chart 2). Setzt sich dieser Trend fort, würde die Kerninflation im Laufe des kommmenden Jahres deutlich unter die 2%-Marke fallen. Dann kämen Warnungen vor
einem möglichen Abgleiten in die Deflation auf – gepaart mit Forderungen, den Leitzins deutlich unter das neutrale Niveau von 2% zu senken und die Wiederaufnahme von Nettoanleihekäufen in Betracht zu ziehen. Das würde die Anleiherenditen merklich drücken.

Wir erwarten, dass die Kerninflation in den kommenden Quartalen Richtung 2% sinken dürfte (Prognose 2025: 2,3% nach 2,9% im Jahr 2024), auch wenn wir längerfristig wegen struktureller Faktoren wie der De-Globalisierung weiter Inflationsrisiken sehen. Der prognostizierte Rückgang der Inflation im kommenden Jahr liegt in erster Linie am schwachen Wirtschaftswachstum, das die Preissetzungsmacht der Unternehmen begrenzt. Außerdem schlägt der Fall der Ölpreise auf die Kerninflation durch – etwa über Transportdienstleistungen. Gegen eine Kerninflation deutlich unter 2% spricht jedoch das nach wie vor starke Wachstum der Löhne. So legten die Tariflöhne im Euroraum im Durchschnitt der ersten drei Quartalen diesen Jahres um 4,6% zu, was in der längeren Sicht nicht
mit einem Inflationsziel von 2% vereinbar ist.

Marktturbulenzen wegen hoher Staatsschulden?

Während ein Teil der Anleger über eine zu niedrige Inflation besorgt ist, hört man auch immer wieder Sorgen über eine zu hohe Staatsverschuldung. So steuert die US-Bundesregierung in diesem Jahr auf ein Haushaltsdefizit von mehr als 6% des Bruttoinlandsprodukts zu, obwohl die Arbeitslosenquote sehr niedrig ist. Die Bundesschuld liegt fast bei 100% des Bruttoinlandsprodukts – ähnlich hoch wie am Ende des Zweiten Weltkriegs (Chart 3). Auch im Euroraum steigen die Staatsschulden. In Frankreich liegen sie bereits bei mehr als 110% des Bruttoinlandsprodukts, wobei die Mehrheit von Links- und Rechtsparteien in der Nationalversammlung es unwahrscheinlich macht, dass das viel zu hohe Haushaltsdefiztit von 6% des Bruttoinlandsprodukts (2024) im kommenden Jahr nennenswert sinkt. Vor diesem Hintergrund sind Sorgen um die Staatsverschuldung in den westlichen Ländern verständlich, zumal sich nicht exakt berechnen lässt, wo die Tragfähigkeit von Staatsschulden endet. Ein sinkender Risikoappetit der Anleger kann bereits ausreichen, heftige Reaktion an den Staatsanleihemärkten auszuzlösen.

Aber die USA profitieren nach wie vor von ihrem Status als Weltleitwährung. Alternativen zum Dollar sind nicht in Sicht. So ist die chinesiche Währung nicht frei umtauschbar, und der Euro leidet unter dem Konstruktionsproblem einer fehlenden politischen Union. Insofern ist das Risiko gering, dass es in den USA 2025 wie in Großbritannien 2022 ("Liz Truss Moment") zu Turbulenzen an den Märkten für Staatssanleihen kommt. Die Furcht davor dürfte im übrigen Donald Trump davon abhalten, die Unabhängigkeit der US-Notenbank gesetzlich zu beenden.

Mit Blick auf den Euroraum betonen wir seit vielen Jahren, dass die Ursachen der Staatsschuldenkrise, nämlich die fehlende Haushaltsdisziplin, nicht gelöst sind. Die Vorgänge in Frankreich bestätigen diese These. Allerdings sagen wir auch seit langem, dass wir nicht mit einer neuen Staatsschuldenkrise rechnen. Denn die EZB hat seit Draghis berühmter Rede im Sommer 2012 ein tiefgestaffeltes Verteidigungssystem aufgebaut. Dazu gehören zwei potentielle Anleihekaufprogramme (Outright Monetary Transactions von 2012, Transmission Protection Instrument von 2022) sowie der hohe Bestand bereits gekaufter Staatsanleihen, den die EZB in Form eines
strukturellen Anleiheportfolios dauerhaft größtenteils fortführen möchte.

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