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Märkte > Billig war gestern

Wie investiert man in einen vollständig bewerteten Markt?

(Foto: picture-alliance dpa / epa / Justin Lane)

Zum neuen Jahr stimmen die meisten Anleger in einem Punkt überein: Die Marktbewertungen scheinen ausgereizt zu sein. Was bedeutet das für die Geldanlage?

Eine Analyse von von Jim Caron CIO, Portfolio Solutions Group, Morgan Stanley

Anleger sind sich selten einig – schließlich findet sich zu jedem Preis ein Käufer und ein Verkäufer. Zum neuen Jahr stimmen die meisten Anleger jedoch in einem Punkt überein: Die Marktbewertungen scheinen ausgereizt zu sein, und kaum jemand würde die Vermögenswerte als billig bezeichnen. Das gilt sowohl für Anleihen als auch für Aktien, die beiden meistgehandelten Anlageklassen.

Deshalb stellen wir uns für 2025 die folgende Frage: Wie investiert man in einen vollständig
bewerteten Markt? Die einfache Antwort wäre, die Auswahl der Vermögenswerte und Anlagen in den Portfolios zu optimieren, weil ihre Renditebeiträge jetzt einen größeren Unterschied machen könnten als in den letzten Jahren. Anders ausgedrückt: Wir müssen Alpha gegenüber Beta priorisieren. Schauen wir uns das genauer an.

ANLEIHEN: DIE GRÖSSTE HERAUSFORDERUNG, ABER VIELLEICHT AUCH DIE GRÖSSTE CHANCE

Anleihen stellen die größte Herausforderung dar, weil ihre erwarteten Renditen und Bewertungen an die
im Voraus signalisierte Entwicklung der Leitzinsen gebunden sind. Die Anleihenrenditen ergeben sich überwiegend
aus der Duration, also ihrer Anfälligkeit gegenüber Zinsschwankungen. Tatsächlich lassen sich über 80% der Anleihenrenditen im Bloomberg Aggregate Bond Index in den letzten 40 Jahren der Duration zuschreiben. Ein Großteil der verbleibenden Renditen ergibt sich aus dem Kupon und ein kleiner Anteil aus der Konvexität.

Da die US-Notenbank (Fed) die Zinsen voraussichtlich senken wird, ist ein
Großteil der Renditen bei den Anleihen bereits eingepreist. Außerdem notieren die Kredit-Spreads nahe am historischen Tiefstand, sodass passive Anleger mit Anleihen nur geringe Überschussrenditen erzielen können.

Gerade hier ergeben sich jedoch Chancen. Es stimmt, dass passive Anleiheninvestoren,
die sich in erster Linie auf das Beta verlassen, um Renditen zu erzielen, großen
Herausforderungen gegenüberstehen. Für Anleger in aktiv verwaltete Anleihenstrategien gilt aber genau das
Gegenteil. Diese aktiven Anleger sind weniger vom Zinszyklus, also dem Beta, abhängig,
um Renditen zu erwirtschaften. Stattdessen setzen sie stärker auf die Auswahl der Vermögenswerte und Anlagen.

Da die meisten Anleiheninvestoren eher passive Strategien nutzen, bietet sich für Anleger mit aktiven Anlagestrategien unseres Erachtens eine hervorragende Gelegenheit, um mehr Alpha in ihren Renditebeiträgen zu
generieren und sich zu differenzieren.

AKTIEN: FAKTOREN UND ALPHA ANSTATT BETA

Im Einklang mit unserem Thema für 2025 sind die Bewertungen die Krux der Aktiendebatte. Sie werden oft als Kurs- Gewinn-Verhältnis (KGV) angegeben, das derzeit hoch ist und ausgereizt erscheint.

Daher könnte es schwierig sein, die Renditebeiträge hauptsächlich durch einen Anstieg der breiten Bewertungskennzahlen oder das Beta an den Aktienmärkten zu erzielen. Natürlich ist es möglich, dass die Kennzahlen steigen, dafür wäre jedoch eine Art „irrationaler Überschwang“ notwendig. Viele glauben, dass das 22-Fache der Gewinne eine hohe Hürde darstellt, die unter den aktuellen Bedingungen kaum nachhaltig zu überwinden ist. Das sehen wir auch so.

Die Bewertungen der Aktienmärkte sind in der Regel von drei Variablen abhängig: dem Zinsniveau, den Kreditkosten und Ausfallrisiken sowie der Zusammensetzung des Index selbst, also die Frage, ob der Index Aktien mit höherem oder niedrigerem KGV stärker gewichtet. Da der Impuls niedrigerer Zinsen vorbei ist und sich die
Zinskurve versteilert, geht den Gewinnen von Aktien, die auf höheren Kennzahlen basieren, möglicherweise ein Auslöser verloren. Steigende Aktienkurse könnten stärker auf die Gewinne des breiteren Markts angewiesen sein.

Deshalb erwarten wir, dass das Alpha, und nicht das Beta, eine größere Quelle der Renditebeiträge sein wird. Vielleicht ergibt sich dies dadurch, dass die Value-Sektoren der „alten“ Wirtschaft Gewinne aus den Technologiesektoren der „neuen“ Wirtschaft ziehen, da Investitionsausgaben, KI und Elektrifizierung die Produktivität in den breiter angelegten zyklischen Sektoren der Wirtschaft erhöhen.

Es besteht eine große Lücke zwischen dem breiteren Markt, dargestellt durch den gleichgewichteten S&P 500, und
der marktkapitalisierungsgewichteten Version. Das Schließen dieser Lücke durch die Positionierung unserer Portfolios und die Auswahl von Vermögenswerten und aktiven Anlagestilen ist unseres Erachtens für die Performance im Jahr 2025 ausschlaggebend. Die Grenzen zwischen Wachstum, Value, Small-, Mid- und Large-Caps könnten dadurch verschwimmen.

Fazit

Wir glauben, dass es an der Zeit ist, unsere Denkweise über die Marktperformance zu ändern: Anstatt uns auf Sektoren und eine geringe Spannweite zu beschränken, sollten wir Faktoren und eine größere
Bandbreite beachten. Wir konzentrieren uns auf FCF-Renditen, Gewinnwachstum, Preismacht, Rentabilität und solide Bilanzen. Die Auswahl von Anlagen und Managern, die dieses Wertpotenzial innerhalb von Sektoren
ausschöpfen können, könnte wichtiger werden als die bloße Sektorauswahl. Wir glauben, dass bei Anleihen ein aktives Management ausschlaggebend ist, um Alpha gegenüber dem Beta zu generieren, das sich aus dem Zinszyklus ergibt. Wir sind auch der Meinung, dass alternative Anlagen und Investments an den Privatmärkten in einem ausgewogenen und gut diversifizierten Portfolio eine wichtigere Rolle spielen werden, insbesondere weil ihre Bewertungen eher eine frühzyklische Dynamik widerspiegeln als die öffentlichen Märkte, die einer späteren Zyklusphase entsprechen.

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