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Unternehmen > Hoffnungsträger ID. Unyx

Volkswagen: Dann eben so wie die Chinesen

(Foto: THINK A / Shutterstock)

Mit einer neuen E-Auto-Marke stemmt sich Volkswagen gegen den Verlust von Marktanteilen in der Volksrepublik – eine so bemerkenswerte wie verzweifelte Flucht nach vorn.

Die Zeiten, in denen der chinesische Markt fast schon ein Selbstläufer für den Volkswagen-Konzern war, sind vorbei. Inzwischen stehen die Wolfsburger einer erstarkten einheimischen Konkurrenz gegenüber, die vor allem junge Käufer mit preiswerten E-Modellen lockt. Bei der Klientel steht weniger die PS-Zahl oder ein röhrender Motor im Vordergrund, als viel mehr ein futuristisches Interieur mit viel Info- und Entertainment-Funktionen. VW hat da, wie Deutschlands Autohersteller im Allgemeinen, konzernweit wenig anzubieten. 1,35 Millionen Fahrzeuge hat Volkswagen im ersten Halbjahr in China verkauft. Gerade einmal 90.000 davon hatten einen E-Antrieb. Angebot und Nachfrage passen bei VW in China nicht mehr zusammen. Die logische Folge: Kundenschwund.

Bereits 2023 mussten die Niedersachsen die Absatzkrone im Reich der Mitte an den chinesischen Hersteller BYD abgeben. Dieser brachte auf Jahresssicht mehr E-Autos an die Kunden, als VW insgesamt auslieferte. Und nicht nur die Kernmarke schwächelt, vor allem auch Audi verliert Käufer. Zwischen April und Juni brach der Absatz der Premiummarke insgesamt um 11,3 Prozent ein. Ein Großteil dieses Rückgangs geht auf den chinesischen Markt zurück. Summa summarum lieferte Volkswagen im zweiten Quartal 2024 fast 20 Prozent weniger Fahrzeuge aus als im Jahr zuvor.

VW braucht nun dringender denn je Antworten, um nicht gänzlich den Anschluss auf dem wichtigsten Automarkt der Welt zu verlieren. Wie knifflig die Suche danach ist, zeigen allein die weltweit stark divergierenden Kundenbedürfnisse. In Europa und den USA ist die Skepsis gegenüber E-Modellen hoch. Im ersten Halbjahr ging VWs E-Auto-Absatz in beiden Regionen um rund 15 Prozent zurück. In China stieg er um 45 Prozent. Sowohl den Verbrenner als auch den E-Motor weiterzuentwickeln, verschlingt jedoch Unmengen an Geld, verunsichert Investoren und Anleger, verwässert bei etablierten Marken wie VW oder Audi den Markenkern.

Mit ID. Unyx will VW chinesischer werden

In China soll es deshalb eine neue Marke richten. Ab August, so der Plan, gibt es dort den ersten ID. Unyx zu kaufen. Bis 2026 sollen vier weitere Modelle dazukommen. Das E-SUV-Coupé, welches als erstes auf Chinas Straßen fährt, zeichnet sich durch ein besonders progressives Design, ein smartes Human-Machine-Interface mit personalisierbarem 3D-Avatar und mehr als 600 Kilometern Reichweite aus. Die Marschroute ist klar: ID. Unyx soll all die Kundenbedürfnisse einfangen, die Chinas Rising Stars um BYD, Nio und Co. längst befriedigen. „Intelligent vernetzte Elektromodelle wie der neue ID. Unyx sind der Schlüssel, um junge, lifestyleorientierte Zielgruppen zu gewinnen und bestehende Kunden an die Marke Volkswagen zu binden“, erklärte VW-China-Markenchef Stefan Mecha im Rahmen der Modell-Präsentation. Das Design, der nachhaltige E-Antrieb und die modernste User Experience träfen perfekt den Puls der Zeit, so der Manager weiter. Vertrieben wird die VW-Submarke über 40 exklusive Stores. Interessenten könnten via Virtual- und Augmented Reality das Fahrzeug dort „erleben“, wirbt der Konzern.

So klein und unbedeutend die Marke zunächst sein mag, ihr Erfolg oder Misserfolg dürfte mit darüber entscheiden, inwieweit Volkswagen in China zukünftig noch eine bedeutende Rolle einnehmen kann. Die ID. Unyx-Modelle sind ein zentraler Baustein von Volkswagens China-Masterplan, der bis 2030 die Einführung von konzernübergreifend 34 neuen Modellen vorsieht. Davon wieder erfolgreichste Automarke in der Volksrepublik zu werden, hat man sich offenbar verabschiedet, erfolgreichste internationale Marke aber will man unbedingt bleiben. Und so stehen neben der Einführung der ID. Unyx-Modelle, auch neue ID-Modelle, Verbrennungsmotoren und Plug-In-Hybride in den Startlöchern. Im Rahmen der „In China, für China“-Strategie legt VW zudem das Augenmerk auf die Produktion vor Ort und die gleichzeitige Orientierung an den örtlichen Bedürfnissen. Ab 2026 fahren VWs ID-Modelle deshalb auch mit neuem Betriebssystem. Entwickelt wird es gemeinsam mit dem chinesischen Autobauer Xpeng.

Die Chinesen diktieren, die Deutschen reagieren

Ob das reicht? Anleger bleiben bislang skeptisch. Die VW-Vorzüge haben auf Sicht von drei Jahren rund die Hälfte an Wert verloren. In den vergangenen Monaten stabilisierte sich der Kurs auf niedrigem Niveau, eine nennenswerte Erholungsbewegung ist bis dato jedoch nicht in Sicht. Initiativen, wie ID. Unyx oder die Auflegung neuer Software für die ID-Baureihen, verhallen bei Anlegern.

Volkswagen (VW) vz. Aktie

Die Etablierung einer neuen Marke ist zwar genauso wie die Kooperation mit Xpeng eine bemerkenswerte Flucht nach vorn, die den Willen erkennen lässt, sich an veränderte Kundenbedürfnisse in China anzupassen. Es ist aber gleichzeitig auch ein Eingeständnis dafür, dass alle bisherigen Bemühungen konkurrenzfähige E-Modelle zu entwickeln in weiten Teilen gescheitert sind. Damit wirkt Volkswagens China-Strategie zwar mutig, zunehmend aber auch verzweifelt. Das Risiko besteht, dass die Konkurrenz längst enteilt ist. Nicht nur aus technischer Sicht, weshalb ohne Kooperationen mit chinesischen Herstellern für VW ohnehin kaum noch etwas geht in Fernost, sondern auch in puncto Markenpopularität. Es gehört zum neu gewonnenen Selbstverständnis junger Chinesen, dass das eigene Auto ein Emblem einer Marke aus dem eigenen Land trägt. Und es ist ein Fingerzeig an die Welt, der von üppigen Subventionen durch die Staatsführung gestützt wird, ganz im Sinne nationalen Selbstbewusstseins. Volkswagen klammert sich mit ID. Unyx nun an den nächsten Strohhalm. Vorreiter im E-Segment aber dürften in China die Chinesen bleiben.

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