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Märkte > Online-Broker auf Rekordkurs

„Die Altersgruppe der 18-24-Jährigen ist bei uns stärker gewachsen als alle anderen Kundengruppen“

(Foto: picture alliance / SVEN SIMON | Frank Hoermann / SVEN SIMON)

FlatexDEGIRO-CEO Oliver Behrens über die neue Lust der Jungen an der Geldanlage, KI beim Investieren und erstaunlich hohe Mittelzuflüsse trotz Zoll-Crash.

BÖRSEamSonntag: Herr Behrens, Sie sind seit Jahrzehnten in der Finanzbranche. Können Sie die Märkte noch überraschen?

Oliver Behrens: Unbedingt! Auch hier gilt die Erkenntnis: Man lernt nie aus!

Donald Trump jedenfalls hat die Märkte mit seiner erratischen Zollpolitik so kräftig durcheinandergewirbelt, wie zuletzt die Coronapandemie. Wozu raten Sie in einer solchen Phase Ihren mittlerweile 3,2 Millionen Kunden?

Wir sehen uns in erster Linie als Plattform, über die Privatanleger langfristig Vermögen aufbauen. Mit dieser Perspektive sinkt die Bedeutung kurzfristiger Kursschwankungen, auch wenn der Blick ins Depot in solchen Phasen an einem Tag sehr schmerzen kann, und am nächsten schon wieder viel besser aussieht. Unsere Kunden entscheiden selbst, inwiefern sie hierin vielleicht auch eine Chance sehen. Wozu wir aber jedem raten, ist, sich möglichst frühzeitig mit Finanzbildung, Altersvorsorge und privatem Vermögensaufbau zu beschäftigen.

Konnten Sie bestimmte Verhaltensmuster analysieren, die Ihre Nutzer in den Tagen der großen Kursverwerfungen zeigten? Und lässt sich daraus etwas lernen?

Nach unserer Beobachtung haben sich die Privatanleger eher besonnen verhalten. Zugleich haben wir deutliche Mittelzuflüsse beobachtet. Mehr als drei Milliarden Euro allein in den ersten drei Monaten 2025. Das deutet darauf hin, dass Anleger eher zukaufen als verkaufen wollten. Und schließlich ist die Zahl der Neukundenanträge nach oben geschnellt.

Für einen Online-Broker, wie flatexDEGIRO, ist das auf und ab an den Börsen gar nicht schlecht. So viel, wie zuletzt, wurde wahrscheinlich schon lange nicht mehr über Ihre Plattform gehandelt.

Das ist richtig, Volatilität treibt das Handelsvolumen. Wir haben im 1.Quartal 2025 für unsere Kunden 20 Prozent mehr Transaktionen abgewickelt als im Startquartal 2024. Auch im April haben wir gleich an mehreren Handelstagen Rekordvolumina gesehen.

Der Aktienkurs von flatexDEGIRO ist in diesem Jahr schon um über 50 Prozent gestiegen. Es scheint, als wären Sie immun gegen die vielen Sorgen, die Anleger gerade umtreiben.  

Wir haben im Februar dem Kapitalmarkt unsere Wachstumsstrategie für die kommenden Jahre erläutert. Nach einem Rekordjahr 2024 wollen wir unser Konzernergebnis in den kommenden drei Jahren nochmals fast verdoppeln. Dazu sind wir in einer Branche, die wächst. Sowohl kurzfristig, getrieben durch volatile Märkte, aber auch strukturell und langfristig steigt die Zahl der Privatanleger, für deren Vermögensaufbau wir die beste Plattform sein wollen.

Wie blicken Sie auf das Wachstumspotenzial am deutschen Markt? Ist aus einem Volk der Sparbuch-Fans seit dem Börsenboom im Pandemiejahr 2021 inzwischen ein Volk der Trader geworden?

Es ist offensichtlich, dass immer mehr Menschen in Deutschland erkennen, dass kapitalmarktbasierte Anlagen höhere Renditechancen bieten und deshalb beim Vermögensaufbau eine wichtige Rolle spielen sollten. Nebenbei bemerkt: Privatanleger finanzieren so zugleich die Wirtschaft und tragen zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei.

Ich bin überzeugt, dass die Einführung von steuerlich begünstigten Altersvorsorgedepots einen weiteren Schub bringen wird. Dieser Ansatz ist richtig, wichtig und angesichts eines offensichtlich überforderten staatlichen Rentensystems absolut notwendig.

Die Generation Z zumindest hat in den vergangenen Jahren Börse durchaus für sich entdeckt. Wie legen die Jungen an? Und was tun Sie, um diese Zielgruppe dauerhaft zu binden?

Im Jahr 2024 ist die Altersgruppe der 18-24-Jährigen bei flatexDEGIRO stärker gewachsen als alle anderen Kundengruppen. Sie handeln allerdings weniger aktiv als der Durchschnitt unserer Kunden, der mit 22 Transaktionen pro Jahr zugegebenermaßen recht hoch ist. In den Depots der jungen Anleger liegen überwiegend bereits ETFs, während mit Blick auf das gesamte Portfoliovolumen noch mehr Aktien in den Depots liegen. Wenn jüngere Anleger Aktien kaufen, dann vor allem internationale Aktien.

Ein Thema ist sicher der Kryptohandel, den Sie vergangenes Jahr in Deutschland eingeführt haben. Bleibt Krypto weiter das große Wachstumsversprechen?

Der Fokus unsere Kunden liegt ganz klar auf Vermögensaufbau und dem Handel mit Aktien, ETFs und Zertifikaten. Dabei ist eine breite Aufstellung bei Märkten und Produkten ein wichtiges Leistungsversprechen an unseren Kunden. Kryptowährungen waren insofern eine logische Ergänzung unserer Produktpalette. Nach Deutschland führen wir aktuell den Kryptohandel auch in weiteren wichtigen Märkten ein. Dann wird auch der ökonomische Beitrag für flatexDEGIRO spürbar.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz bei Ihnen im Unternehmen?

Wir unterstützen selbstverständlich unsere internen Prozesse durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, zum Beispiel bei der Programmierung. Auch an der Schnittstelle zum Kunden kommt Künstliche Intelligenz in Form von Chatbots zum Einsatz – wir legen aber Wert darauf, dass Kunden bei flatexDEGIRO Menschen als Ansprechpartner finden.

Smarte Geldanlage dürfte zu einem der Megatrends in der Finanzbranche werden. Verwalten sich unsere Depots bald alle von selbst?

Ich bin sicher, dass unsere Kunden schon lange smart anlegen (lacht).

Ist es nicht eine riesige Chance für Broker, wenn sie früh mit KI arbeiten und ein Abomodell dafür entwickeln?

Für flatexDEGIRO stellt sich diese Frage nicht, weil wir unsere Kunden nicht zu Fragen der Geldanlage beraten. In der Vermögensverwaltung oder Anlageberatung mag das anders sein.

Dann zu den Gefahren. Könnte es nicht zu einem gleichgeschalteten Investieren von hunderten Millionen Menschen kommen? KI schließlich könnte auf objektiver Entscheidungsbasis jedem Anleger in etwa dasselbe Depot zusammenbauen. Die kursbewegende, emotionale Komponente des Menschen würde verloren gehen – Daytrading könnte an Bedeutung verlieren.

Ich würde unterstellen, dass unterschiedliche Modelle unterschiedliche Strategien entwickeln. Seit längerer Zeit entfällt ein großer Teil des Börsenhandels auf Algo-Trading – aber selbstverständlich sind auch hier nicht alle Algorithmen gleich. Nichtsdestotrotz werden immer wieder sich selbst verstärkende Effekte beobachtet. In allen Fällen gilt: Die Modelle müssen von Menschen kontrolliert werden.

Was ist Ihre Vision für FlatexDEGIRO in fünf Jahren? Wo sehen Sie aktuell die größten Wachstumstreiber?

Wir wollen die führende europäische Plattform für den Vermögensaufbau sein. Ich bin überzeugt, dass kapitalmarktbasierte Anlagen für Privatanleger weiter an Bedeutung gewinnen werden – diesen wachsenden Bedarf wollen wir mit einem umfassenden Angebot an Produkten und Services decken. Für Online-Broker sehe ich als zusätzlichen Treiber, dass Anleger kostenbewusster werden. Das spielt uns zusätzlich in die Karten. Am Ende ist der Aufholbedarf Europas im Vergleich zu Märkten wie den USA riesig. Insofern bin ich auch für unsere Branche insgesamt sehr positiv gestimmt.

Über den Kapitalmarkt und die Megatrends an den Finanzmärkten spricht Oliver Behrens auch auf dem vom 7. bis 9. Mai stattfindenden Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee. Den Livestream zum „deutschen Davos“, wie die ARD die Spitzenkonferenz einst betitelte, finden Sie hier: https://ludwig-erhard-gipfel.de/

Die Fragen stellte Oliver Götz

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