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Märkte > Ausblick zweites Halbjahr

Warum für Investorinnen und Investoren Diversifikation noch wichtiger wird

(Foto: solarseven / Shutterstock)

Neue Zölle, das fiskalische Ungleichgewicht und Machtverschiebungen verändern die weltweiten Kapitalströme. Für Investoren wird Diversifikation über Ländergrenzen und Anlageklassen hinweg zur strategischen Notwendigkeit.

Von Henk-Jan Rikkerink , Global Head of Solutions and Multi Asset, Fidelity 

Zölle, Handelsabkommen, Nervosität: Die ersten sechs Monate dieses Jahres haben gezeigt, wie schnell Märkte umschlagen können. Auch im weiteren Jahresverlauf dürfte es turbulent zugehen. Für langfristig orientierte Anlegerinnen und Anleger ist die zunehmende Fragmentierung der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen von besonderer Relevanz. Die USA suchen nach verlässlichen Partnern in ihren Lieferketten, während China zunehmend gezwungen ist, sich von wirtschaftlichen Impulsen auf der Angebotsseite zu lösen und seine Binnennachfrage zu stärken. Eine gezielte Entkopplung in strategischen Bereichen dürfte Handels- und Kapitalströme entlang geopolitischer Linien neu ordnen. 

Für Anlegerinnen und Anleger, die den US-Markt bislang als relativ sicheren Hafen genutzt haben, verändert sich das Gesamtbild. In der neuen Ära wird Diversifikation in andere Regionen essenziell.

Die Wahrscheinlichkeiten für Stagflation oder Rezession sind zuletzt gesunken. Insgesamt liegen diese beiden Szenarien für einen wirtschaftlichen Einbruch aber weiterhin bei 60 Prozent.

USA: Inflationsdruck nimmt zu
Die durchschnittliche Belastung durch Zölle liegt in den USA derzeit bei rund 14 Prozent. Das dürfte die Inflation auf etwa 3,5 Prozent ansteigen lassen. Für die weitere Entwicklung erwarten wir diesen Inflationsanstieg in zwei Hauptszenarien, die unserer Analyse zufolge jeweils eine Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent haben. Entweder kommt es zu einer Phase wirtschaftlicher Erholung mit leichtem Preisdruck. Oder es kommt zu einer Stagflation, also zu steigenden Preisen bei gleichzeitig nachlassendem Wachstum.

Zudem werden internationale Produzenten versuchen, alternative Absatzmärkte außerhalb der USA zu erschließen. Das würde die Preise dämpfen. In den USA selbst dürften höhere Zölle und eine insgesamt unberechenbare Handelspolitik das Wirtschaftswachstum im Jahr 2025 hingegen auf rund ein Prozent begrenzen. Eine Rezession erscheint derzeit weniger wahrscheinlich, sollte es zu einer Entspannung im Verhältnis zu China kommen. Würde die durchschnittliche Zollbelastung allerdings entgegen jüngsten Erwartungen doch auf etwa 20 Prozent ansteigen, dann wäre auch ein solches Worst-Case-Szenario denkbar.

Zinspolitik: Die Fed als Ausreißer
Angesichts der anhaltenden Inflation und der unklaren Zollsituation dürfte die Fed entgegen den Markterwartungen in diesem Jahr keine Zinssenkung mehr vornehmen. Zudem führen Stagflationsrisiken in den USA dazu, dass Anlegerinnen und Anleger verstärkt auf andere Märkte blicken. Viele Notenbanken – mit Ausnahme von Japan und Brasilien – befinden sich schließlich im Zinssenkungsmodus.

Die EZB dürfte ihre Frequenz mit vierteljährlichen Senkungen beibehalten und der Ziel-Zins dürfte bei etwa 1,5 Prozent liegen. Sollte sich der Handelskonflikt mit den USA verschärfen, könnte das Ziel sogar noch niedriger ausfallen. Auch in Großbritannien könnten weitere Zinssenkungen folgen, da sich der Arbeitsmarkt abschwächt und die Inflation zuletzt gesunken ist. 

Diversifikation: Horizonte erweitern sich 
Das uneinheitliche Inflationsbild deutet auf tiefgreifende strukturelle Veränderungen in der globalen Wirtschaft hin. US-Präsident Trump verfolgt das Ziel, mithilfe von Zöllen die heimische Industrie zu stärken und das Leistungsbilanzdefizit zu verringern. Gleichzeitig sucht seine Regierung aktiv den Schulterschluss mit befreundeten Staaten über neue Handelsabkommen. China wiederum setzt verstärkt auf die Förderung des privaten Konsums und den Ausbau seiner Dienstleistungswirtschaft.

Langfristig ist mit einer weiteren Fragmentierung der globalen Wirtschafts-, Technologie- und Sicherheitsarchitektur zu rechnen. Dies ist eine Folge der isolationistischen Strategien sowohl aufseiten Chinas als auch der USA. Ein möglicher Nebeneffekt könnte sein, dass US-Assets in internationalen Portfolios an Bedeutung verlieren. Aktuell steht besonders der US-Dollar im Fokus. Seine Rolle als Weltleitwährung hat wesentlich zu den sogenannten „Twin Deficits“, also dem gleichzeitigen Defizit beim Staatshaushalt und in der Handelsbilanz, beigetragen. Beide will Trump nun abbauen. Als Absicherung gegen Aktienrisiken verliert der US-Dollar damit ebenfalls an Relevanz, da internationale Investorinnen und Investoren zunehmend höhere Absicherungsquoten fahren.

So wird Diversifikation zum essenziellen Bestandteil jeder Anlagestrategie. Portfolios, die seit über 25 Jahren stark auf US-Vermögenswerte ausgerichtet waren, müssen sich strukturell neu ausrichten. Wer diesen Trend frühzeitig erkennt, kann daraus Chancen ableiten. Auch wenn ein Rebalancing nötig ist, haben US-Aktien weiterhin ihren festen Platz im Portfolio. Immerhin vereint der S&P 500 viele der größten, innovativsten und profitabelsten Unternehmen der Welt. Ein kompletter Rückzug aus den USA wäre nicht ratsam. Sie sind aber nicht mehr der alleinige Taktgeber.

er Euro könnte durch Kapitalrückflüsse an Stärke gewinnen. Gleichzeitig sendet die expansive Fiskalpolitik in Deutschland ein Signal für eine mögliche wirtschaftliche Erholung Europas. Der japanische Yen wiederum überzeugt mit defensiven Qualitäten. Gold bleibt in geopolitisch unsicheren Zeiten als Absicherung gefragt.

Die Emerging Markets entwickeln sich zunehmend zu einer vielversprechenden Anlageoption. Staatsanleihen vieler Schwellenländer – sowohl in Hart- als auch in Lokalwährung ¬– profitieren derzeit von der aktuellen Schwäche des US-Dollars. Märkte wie Brasilien und Mexiko überzeugen mit attraktiven Renditen. Zugleich erscheinen die Aktienmärkte zahlreicher Schwellenländer-Regionen im internationalen Vergleich günstig bewertet. In China sorgt eine Stabilisierung des Marktes, die durch Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz unterstützt wird, für positive Impulse.

Private Assets und Immobilien runden das Bild ab. Sie bieten insbesondere bei langfristigem Anlagehorizont und aktiver Steuerung zusätzliche Diversifikationschancen. Besonders interessant sind Immobilienmärkte in Europa mit starken Cashflows. Anlegerinnen und Anleger profitieren zudem von der gezielten ökologischen Modernisierung, dem sogenannten „Greening“, ehemals nicht nachhaltiger Gebäude.

Unterschiedliche fiskalische Realitäten
Auch die weltweite Fiskalpolitik spricht für eine Umschichtung der Portfolios. Die US-Schuldenlast ist enorm und bislang gibt es keine Anzeichen für eine Stabilisierung. In den Vereinigten Staaten steigen die Defizite auf Kriegsniveau, und das in einer Phase historisch niedriger Arbeitslosigkeit. Eine große Menge neuer US-Staatsanleihen trifft auf ein volatiles Marktumfeld. Weil Angebot und Nachfrage aus dem Gleichgewicht geraten, steigen die Risikoprämien für langlaufende Anleihen. Dadurch verliert der US-Treasury-Markt weiter an Attraktivität als sicherer Hafen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer stärkeren Diversifikation.

Deutsche Bundesanleihen rücken als Alternative zunehmend in den Fokus. Die fiskalische Wende in Deutschland und der steigende Investitionsbedarf für Infrastruktur und Verteidigung eröffnen Spielraum für neue Anleiheemissionen. Eine wichtige Grundlage dafür ist die historisch stabile Haushaltspolitik Deutschlands.

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