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Rohstoffe > Edelmetalle

Ist Platin das neue Gold?

(Foto: yMediaStock / Shutterstock)

Während sich der Goldpreis auf einem Rekordniveau zu konsolidieren scheint, könnte es sich für Investoren lohnen, Ausschau nach Alternativen zu halten. Platin könnte spannende Anlagemöglichkeiten bieten.

Eine Analyse von Vontobel 

Die Kursentwicklung des Goldpreises steht, wie auch schon im Vorjahr, weiterhin im Rampenlicht der Anlagewelt. Geopolitische Ereignisse, der ausufernde Schuldenstand der USA und die anhaltende Zentralbanknachfrage haben dazu geführt, dass das gelbe Edelmetall seit April 2025 zu einem Kurs von über 3.000 US-Dollar pro Unze notiert. Auch der Silberpreis durchbrach zuletzt ein Kursniveau, das seit über zehn Jahren nicht mehr erreicht wurde. Im Mai 2025 kam auch beim Edelmetall Platin nach einem längeren Seitwärtstrend Bewegung ins Spiel. Der Platinpreis stieg seit dem 1. Mai 2025 bis heute um über 35 Prozent. Könnte dieser Anstieg den Beginn eines langanhaltenden strukturellen Trends bei Platin darstellen?

Ein vielseitiges Edelmetall

Platin ist ein äusserst seltenes und korrosionsbeständiges Metall, welches zusammen mit Palladium, Rhodium, Ruthenium, Osmium und Iridium zu der Gruppe von Platingruppenmetallen (PGM) gehört. Seine chemischen Eigenschaften und seine Widerstandsfähigkeit machen es zu einem Werkstoff mit zahlreichen Anwendungsgebieten. Insbesondere in der Automobilindustrie spielt Platin aufgrund seiner Fähigkeit zur Katalyse eine zentrale Rolle: Rund 40 Prozent des weltweiten Verbrauchs entfallen auf Katalysatoren, die Schadstoffe in den Abgasen von Fahrzeugen zu weniger schädlichen Substanzen umwandeln. Strengere Emissionsvorgaben wie Euro-7 oder China-7 könnten diesen Anteil in den kommenden Jahren weiter steigen lassen.

Darüber hinaus findet Platin auch Anwendung in der chemischen Industrie, etwa bei der Herstellung von Silikonen, Düngemitteln und Kunststoffen. In der Medizintechnik überzeugt Platin durch seine Biokompatibilität, es wird unter anderem in Herzschrittmachern, Implantaten und Krebsmedikamenten eingesetzt.

Nicht zuletzt erlebt Platin derzeit eine Renaissance als Schmuckmetall: Insbesondere in China stieg die Nachfrage zuletzt spürbar, da viele Verbraucher und Schmuckhersteller Platin zunehmend als preislich attraktivere Alternative zu Gold sehen.

Mögliche Trendwende beim E-Auto-Boom?

Platin befindet sich seit den frühen 2010er-Jahren in einem anhaltenden Bärenmarkt, in welchem der Platinpreis mit Ausnahme der Zeit während der Corona-Krise keine signifikanten Ausbrüche verzeichnen konnte. Die eher einseitige Nachfragestruktur führte dazu, dass der Markt (zumindest die industriellen) Perspektiven des Edelmetalls eher pessimistisch einschätzte. Die Begründung lautete, dass der Durchbruch der Elektromobilität den Verbrennungsmotor, und damit die Verwendung von Katalysatoren weitestgehend in die Geschichtsbücher verbannen würde. Aktuelle Entwicklungen könnten nun allerdings dazu beitragen, dass Marktteilehmer diese Rationale zunehmend infrage stellen könnten.

Enttäuschende Verkaufszahlen von Elektrofahrzeugen und politische Richtungswechsel wie beispielsweise in Deutschland und den USA führen dazu, dass zunehmend am Verbrenner-Aus gerüttelt wird. Erste Fahrzeughersteller wie beispielsweise Volkswagen oder Mercedes-Benz beschlossen in den vergangenen Monaten, das Ausleben ihrer Verbrenner-Palette zu verschieben oder auf Eis zu setzen. 

Während vollelektrische Fahrzeuge hinter ambitionierten Prognosen zurückbleiben, rücken Plug-in-Hybride vermehrt nicht nur als temporäre Kompromisslösung, sondern als zentrale Zukunftslösung der Mobilität in den Fokus. Dabei handelt es sich um Fahrzeuge, die sowohl einen Verbrennungsmotor als auch einen Elektromotor mit wiederaufladbarer Batterie besitzen.

Plug-in-Hybrid-Antriebseinheiten benötigen dabei mehr Platin pro Fahrzeug als ein konventioneller Verbrennungsmotor, da der in Plug-in-Hybriden eingebaute Verbrennungsmotor häufiger kalt startet und die Konverter daher stärker mit Platin beladen werden müssen. Rechnet man konservativ mit einem Plus von nur einem Gramm mehr pro Auto, multipliziert sich der Effekt bei 20 Millionen verkauften Hybriden auf 650 000 Unzen Zusatzbedarf bis 2030. Gemäss der Plattform Statista wurden im Jahr 2024 rund 4,12 Millionen Plug-in-Hybride verkauft. Das Beratungsunternehmen Alix Partners hat währenddessen eine Prognose für den weltweiten Anteil von Plug-in-Hybriden von 5 Prozent auf 12 Prozent bis 2030 erhöht (Reuters, 09.09.2024). 

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Nicht nur Entwicklungen in der Automobilbranche bringen den Platinpreis auf die Überholspur. Gold wird historisch als «sicherer Hafen» in turbulenten Marktphasen geschätzt, doch sein Rekordpreis von über 3 300 US-Dollar pro Unze treibt Investoren zunehmend in günstigere Alternativen wie Silber oder eben Platin. In China, dem inzwischen wichtigsten Schmuckmarkt, importierten Juweliere im April 2025 11,5 Tonnen Platin, soviel wie seit einem Jahr nicht mehr (Bloomberg, 20.05.2025). Diese Dynamik macht sich mittlerweile auch am Terminmarkt bemerkbar: Die Terminkurve steht in einer eher selten vorkommenden «Backwardation», in welcher Terminpreise in der Zukunft unter dem Kassapreis handeln. Einfach ausgedrückt bedeutet dies, dass Marktteilnehmer bereit sind, zum jetzigen Zeitpunkt einen höheren Preis zu zahlen, um den Rohstoff sofort zu erhalten - ein Signal für physische Knappheit (Bloomberg, 11.06.2025). Jedes Schmuckstück, welches künftig aus Platin statt Gold gefertigt wird, zieht zusätzliches Metall aus einem ohnehin angespannten Markt. Damit könnte sich Platin zunehmend vom Status eines eher industriell orientierten Edelmetalls vermehrt zur Gold-Alternative in der Luxusgüterwelt entwickeln.

Kann die Angebotsseite nachziehen?

Der Platinmarkt befindet sich in einem strukturellen Angebotsdefizit, das durch mehrere Faktoren getrieben wird. Rund 70 Prozent der weltweiten Primärproduktion stammen aus dem Bushveld-Komplex in Südafrika. Laut dem WPIC (World Platinum Investment Council) sank die geförderte Menge dort allein im ersten Quartal 2025 um 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr, der tiefste Quartalswert seit dem Corona-Lockdown 2020. Ursache waren vor allem ungewöhnlich starke Regenfälle, die die Raffinerieproduktion empfindlich störten. Gleichzeitig fiel die globale Minenförderung im gleichen Zeitraum um 13 Prozent, während die aus Recyclingprozessen gewonnene Menge nur leicht um 2 Prozent zunahm. Für das Gesamtjahr rechnet WPIC mit einer leichten Erholung, dennoch bleibt der Ausstoss unter dem Niveau vor Corona: Die prognostizierte Jahresproduktion liegt laut WPIC bei 6,99 Millionen Unzen und damit auf dem tiefsten Stand der letzten 5 Jahre.

Neue Projekte wie die Platreef-Mine von Ivanhoe Mines könnten mittelfristig Entlastung schaffen: Ab Ende 2025 startet dort die erste Produktionsphase mit zunächst rund 100 000 Unzen Platingruppenmetallen pro Jahr, langfristig sind bis zu 500 000 Unzen jährlich geplant (Ivanhoe Mines, 08.05.2025). Gleichzeitig investieren zahlreiche Produzenten verstärkt in Recycling-Infrastruktur, um den Rückfluss gebrauchter Katalysatoren zu steigern. Allerdings bleibt die Verfügbarkeit von Altmaterial begrenzt, da viele Autobesitzer ihre Fahrzeuge länger nutzen und Altfahrzeuge verzögert auf den Markt kommen (S&P Global, 22.05.2024). Laut WPIC lag das Recyclingvolumen 2024 auf einem Zwölfjahrestief und könnte sich nur allmählich erholen.

Auch geologisch und ökonomisch sind die Möglichkeiten zur raschen Ausweitung der Produktion begrenzt. Viele tief liegende südafrikanische Lagerstätten sind nur mit hohen Kosten zugänglich und selbst bei steigenden Preisen kaum kurzfristig skalierbar. Somit könnte das Angebot in der kurzen bis mittleren Frist eng bleiben und die Marktakteure könnten sich darauf einstellen, dass strukturelle Defizite das Preisgefüge auch in den kommenden Jahren prägen könnten. 

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