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Märkte > Experten-Interview

„Inflation war gestern“

(Bild: Shutterstock)

Deka-Investmentstratege Christoph Witzke über deutsche im Vergleich zu US-Aktien, über die Bedeutung des Börsenplatzes Frankfurt, die besten Assetklassen und seine Erwartungen an die Inflation.

Herr Witzke, die deutsche Wirtschaft entwickelt sich schwach, die Weltwirtschaft ist robuster, welchen Trend erkennen Sie für dieses Jahr?

Wir sehen eine Fortsetzung der Wachstumsstabilisierung auf niedrigem Niveau in der EU und nochmals mit einer Abstufung auch in Deutschland. Eine deutliche Aufhellung dauert aber noch. In den USA läuft es deutlich besser, dort haben wir unsere Trendeinschätzung nach oben revidiert.

Was bedeutet das für die Märkte, insbesondere für die Aktienmärkte?

Der Dax läuft nicht schlechter als der als der breite Aktienmarkt Europas. Die Region ist insgesamt niedrig bewertet, was aber auch Gründe hat. Der Dax stand im Oktober sogar auf einem Bewertungsniveau wie vor der Corona-Pandemie. Alles in allem ist die Entwicklung der Aktienmärkte in Europa aber solide. Die Unternehmen profitieren von ihrer internationalen Aufstellung, das spiegelt sich in den Kursen wider.

Dax

Ihre Aufmerksamkeit richtet sich demnach nicht so sehr auf den Dax.

Nein. Im globalen Maßstab spielen deutsche Aktien nahezu keine Rolle. Ausgenommen weniger Werte, wie etwa SAP. Alles andere ist nachrangig. Der Trend verstetigt sich inzwischen. Unternehmen gehen deswegen auch vor allem in den USA an die Börse. Dort gibt es mehr Investoren, die Bewertung ist höher. Die Bedeutung des Dax nimmt ab.

Also spricht alles für Investitionen in den US-Aktienmarkt?

In den USA wird in diesem Jahr gewählt. Wahljahre sind gute Börsenjahre, weil politisch wenig verändert wird. Falls es wirtschaftliche Rückschläge gibt, ist die Politik in Form von Notenbank und Kongress mit Blick auf die Wahlen sofort bereit, einzuspringen.

Und was ist mit den US-Schulden? Da wird eine doch Angst und Bange. Spielt das gar keine Rolle?

Natürlich spielt das eine Rolle. Nichts spielt keine Rolle. Interessant wird, wie die großen Ratingagenturen die Qualität der USA als Schuldner bewerten. Bei einer Herabstufung wird die Refinanzierung sukzessive schwieriger. Alles ist eine Frage des Vertrauens. Solange die Investoren nicht damit rechnen, dass der Staat ausfällt, steigen eben nur die Refinanzierungskosten. Und da ist das Vertrauen in die USA ungebrochen.

Viele deutsche Unternehmen sind nicht nur in den USA, sondern vor allem auch in China sehr aktiv – Chinas Wirtschaft aber hat doch ihren Zenit überschritten, oder?

China hat noch immer vergleichsweise hohe Wachstumsraten. Zwar auf niedrigerem Niveau, aber eben höher als in den USA und Europa. Das langsamere Wachstum in China bedeutet nicht ansatzweise, dass die dortige Wirtschaftsentwicklung einer ausgeprägten Rezession gleichkommt. Das Wachstum schrumpft etwas, weil es staatlicherseits nicht mehr so befeuert wird. Die chinesische Führung hat ihren Focus weg von der Wirtschafts- hin zu Sicherheitspolitik verlagert.

Welche Anlageklassen sollten Anleger bevorzugen?

Sie haben im Moment die Qual der Wahl. Aktien bieten aber die größten Renditechancen. Weltweit wird es keine Rezession geben. Eine ausgeprägte Investoreneuphorie, die dann in Enttäuschung umschlagen könnte, gibt es auch nicht. Deswegen rechnen wir bei Aktienmärkten durchaus mit zweistelligem Wachstum. Bei Anleihen rechnen wir mit einer Rendite, die leicht über der Inflation liegt.

Stichwort Inflation – ist das nach wie vor ein Risiko?

Die Inflationsraten fallen weiter. Es besteht das Risiko, dass sie unterschießen. Sie könnten unterhalb der Zielmarken fallen, die die Notenbanken ausgegeben haben. Inflation war gestern, Disinflation ist zunächst das Thema 2024.

Das bedeutet sinkende Zinsen?

Leitzinssenkungen im zweiten Halbjahr werden von uns erwartet.

Zurück zu den Anlageklassen. Was halten sie von Währungen?

Der Dollar bleibt ein sicherer Hafen. Er bietet die besten Diversikationsmöglichkeiten.

Euro / US-Dollar

Was denken sie über Öl?

Der Ölpreis wird nicht abschmieren, dazu läuft die Weltwirtschaft zu gut.

Was ist mit Gold?

Wir mischen es strukturell bei. Es hat einen spürbaren Einfluss. Dennoch sind wir bei Gold zuletzt von Übergewichten auf neutral gegangen.

Goldpreis

Wie sehen Sie Krypto als Anlageklasse?

Wir beobachten das und erkennen, dass dort eine neue Anlageklasse entsteht. Aber wir halten keine Bestände. Wir investieren eher in die Profiteure dieses Assetklasse, also beispielsweise in die Chiphersteller, deren Produkte gebraucht werden, um überhaupt Krypto-Coins zu erzeugen.

Werden Sie ihre Haltung bald ändern und Krypto wie andere Anlageklassen auch behandeln?

Nichts ist unmöglich. Aber Krypto befindet sich erst in der Entwicklungsphase. Es läuft besser, wenn die Märkte laufen, und es bricht ein, wenn die Märkte zurückgehen. Die Volatilität ist eklatant.

Bitcoin

Zum Schluss: Welche Zukunftstrends sehen Sie?

Wir sehen drei Trends: Technologie, Gesundheit und den gesellschaftlichen Wandel.

Was bedeutet das konkret?

Zu Technologie gehören für uns zum Beispiel all jene Unternehmen, die sich mit AI, mit Autonomen Fahren oder Robotics beschäftigen. Bei Gesundheit rechnen wir damit, dass die großen Pharmaunternehmen 2024 auf Shoppingtour gehen könnten. Die kleineren Biotechfirmen liefen 2023 schlecht und könnten jetzt Übernahmekandidaten werden. Dazu kommen Trends wie die Spritze zum Abnehmen, oder Entwicklungen, um den Alterungsprozess zu verlangsamen.

Und was verbirgt sich hinter gesellschaftlichem Wandel?

Da geht es insbesondere auch um erneuerbare Energien im Kontext der Nachhaltigkeit. Dieses Feld ist stark von politischen Entscheidungen geprägt. Das Streichen der E-Auto-Prämie, das in Deutschland ja quasi über Nacht geschah, ist dafür ein Beispiel.

Das Gespräch führte Oliver Stock

(Der Beitrag erschien zuerst im Deka-Fondsmagazin)

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