AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART
zu können. Ähnlich verhält es sich mit
dem Handelskonflikt zwischen den USA
und China. Er hinterlässt in den Auftragsbüchern
bereits Spuren und eine
substantielle Lösung ist nicht absehbar.
Dies gilt im Übrigen auch für das europäisch
amerikanische Verhältnis. Jeder
Kommentar seitens der US-Regierung zu
möglichen Strafzöllen lässt die hiesigen
Aktienkurse beben.
Wie kam es zu dieser US-China-
Eskalation?
Der wahre Konflikt liegt in der geostrategischen
oder geoökonomische Vormachtstellung
in der Welt. Mit dem Aufstieg Chinas
zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt
wurde es für die USA zunehmend zur Bedrohung.
Die Trump-Administration hat
erkannt, dass China auf der Handelsseite
verwundbar ist und begann an der Zollschraube
zu drehen. Die Annäherung mit
einem ersten Teilabkommen ist sicherlich
ein wichtiger Schritt. Ich habe jedoch
starke Zweifel, dass der Konflikt vollumfänglich
gelöst wird. Daran haben im Moment
weder die USA noch China Interesse.
Wir gehen daher davon aus, dass es auch
in Zukunft Teillösungen geben wird, der
Konflikt aber langfristig brodeln und damit
das wirtschaftliche Geschehen beeinflussen
wird.
Welche Rolle spielt Europa in
diesem Konflikt? Profitiert der alte
Kontinent sogar?
Zunächst schaden neue Handelsbarrieren,
welche das globale Wachstum
bremsen, natürlich insbesondere exportorienterten
Unternehmen. Europäische
Unternehmen – allen voran die deutschen
Konzerne – sind hier besonders
stark engagiert und somit betroffen. Allerdings
bleibt ein Großteil der Exporte
deutscher Firmen in Europa. Eine solide
Konjunktur in Europa wirkt somit
als Stütze, welche hilft einen Teil der
negativen Effekte Aufgrund der Abkühlung in China und den
USA etwas abzufedern.
In Deutschland ist immer wieder von Rezession die
Rede. Der Begriff Rezession erscheint angesichts von
nahezu Vollbeschäftigung irreführend, oder?
Das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland stieg im dritten Quartal
2019 um 0,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Im Vorquartal
schrumpfte das BIP um 0,1 Prozent. Damit schrammte Deutschland
zunächst an einer Rezession vorbei. Dennoch ist in wichtigen
Branchen die Rezession bereits angekommen, z. B. im verarbeitenden
Gewerbe. Hier hängt die Auftragslage extrem vom globalen
Handelszyklus ab. In der Zeit vor den strukturellen Reformen
in Deutschland in den Nuller-Jahren kamen zusätzlich zu konjunkturellen
Nachfragerückgängen in der globalen Konjunktur
oft noch strukturelle Probleme welche die Wettbewerbsfähigkeit
deutscher Unternehmen im globalen Markt beeinträchtigte. Die
Konzerne haben deswegen bei Nachfrageschwächen oft zügig mit
Kurzarbeit oder gar Entlassungen reagiert. Dies führte zu einer
breiteren und für viele Konsumenten spürbaren Rezession. Heute
sind Unternehmen in Deutschland deutlich fitter für den globalen
Wettbewerb. Die Unternehmen sind deswegen eher bereit eine
temporäre konjunkturelle Schwäche einfach auszusitzen ohne Personal
abzubauen.
Die strukturelle Abhängigkeit von der globalen Nachfrage ist
allerdings eine notwendige Folge der Globalisierungsstrategie
deutscher Unternehmen. Sollte sich die Unsicherheit jedoch weit
ins nächste Jahr hineinziehen, die Probleme also nicht mehr aussitzen
lassen, werden Unternehmen allerdings irgendwann auf
die Kostenbremse drücken müssen. Dies könnte auf den Arbeitsmarkt
durchschlagen und in der Folge die Konsumentennachfrage
bremsen. Eine breit angelegte Krise zeichnet sich aktuell
jedoch nicht ab.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in den
vergangenen Jahren ihren Teil dazu beigetragen,
um die Konjunktur in Europa am Laufen zu halten.
Bei neuen Rücksetzern kann sie kaum noch Impulse
entgegensetzen.
Der konventionelle Werkzeugkasten der Notenbank ist mehr oder
weniger leer. Es gäbe vielleicht noch das eine oder andere unkonventionelle
Werkzeug, welches aber auf erhebliche politische Widerstände
treffen würde. Das beschränkt den Wirkungsgrad der
EZB. Nun ist die Politik gefragt. Zahlreiche Länder wie Italien,
Frankreich und Spanien haben in den vergangenen Jahren strukturelle
Maßnahmen ergriffen. Dennoch fehlen gezielte fiskalisch
25 BÖRSE am Sonntag · 05/20