AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART
gesteuerte Impulse. Diese müssen in erster Linie von den mitteleuropäischen
Ländern kommen. Im Wesentlichen aus Deutschland.
Die deutsche Regierung verfolgt immer noch die Politik der
schwarzen Null. Gleichzeitig fehlen Investitionen in Infrastruktur,
IT und Bildung.
Diese Zurückhaltung kann zwei Gründe haben: Entweder traut
sich keiner, dem Streben nach einem stets ausgeglichenen Haushalt
ein Ende zu bereiten oder die politischen Entscheidungsträger
warten ab. Schließlich ist die Wirtschaft noch intakt und die Zahl
der Arbeitslosen sinkt weiter – wenngleich nur marginal. Ein Investitionsprogramm
in Deutschland hätte weitreichende Auswirkungen
auf Unternehmen, Verbrauchervertrauen, Aktienmärkte
und nicht zuletzt den Anleihemarkt. Einer der Gründe für die negativen
Renditen ist, dass die Bundesregierung ihre Neuverschuldung
in den vergangenen Jahren drastisch zurückgefahren hat.
Das sinkende Anleiheangebot sorgt für sinkende Zinsen. Sollte
sich die Regierung also in diese Richtung bewegen, könnte dies
ein signifikanter Game Changer sein. Es ist im Moment jedoch
nicht danach aus.
Die Europäische Zentralbank macht immer wieder
klar, dass an der Zinsschraube bis auf weiteres nicht
geschraubt wird. Zahlreiche Banken denken über
Strafzinsen nach. Was sollen Investoren nun tun?
Im Falle von Negativzinsen bringt das klassische Sparbuchsparen
nicht nur real, also inflationsbereinigt, sondern auch nominal
nichts mehr. Das heißt: Der Anleger macht einen Verlust. Wie
Investoren alternativ ihr Geld anlegen sollten, hängt in erster Linie
von der Höhe des verfügbaren Kapitals und der Risikoneigung ab.
Früher gab es eine Dreiteilung des Depots. Die erste Komponente
sorgte für eine sichere jährliche Rendite. Dies wurde durch Anleihen
abgedeckt. Die zweite Komponente galt als Absicherung gegen
Krisen. Auch hier fanden sich meist ebenfalls Anleihen, aber auch
Gold. Die dritte Komponente bot die Wachstumschance – meist
Aktien. Je nach Risikoneigung wurden diese drei Positionen entsprechend
gewichtet. Da sichere Investments heute keine Rendite
erzielen, müssen Anleger umdenken.
Festverzinsliche Wertpapiere werden nur noch dazu genutzt, Risiken
abzusichern, da Anleihepreise typischerweise in Zeiten von
Aktienmarktkrisen steigen, und dabei die Kosten vergleichsweise
gering zu halten. Dabei setzen Investoren meist auf Unternehmensanleihen
mit guter Bonität. Der wichtigste Teil der Realverzinsung
kommt jetzt aus defensiven Aktien, also über die Dividendenrendite.
Je nach Depotgröße und Bereitschaft sich aktiv darum
zu kümmern, kann dies durch Direktinvestments in Einzelaktien
oder in diversifizierte Fonds und Zertifikate erfolgen. Eine Vielzahl
26 BÖRSE am Sonntag · 05/20
von Zertifikaten bieten auch im Fall einer
Seitwärtsbewegung von Aktie oder Index
die Chance auf eine Rendite. Die Wachstumskomponente
im Portfolio ist ebenfalls
nur über Aktien darstellbar. Angesichts der
bestehenden Abwärtsrisiken sind wir in der
Vermögensverwaltung hier aktuell vorsichtig
positioniert.
Wer hat bei Ihnen die Nase vorn?
USA oder Europa?
Wir favorisieren europäische Aktien, da
wir die fundamentalen Risiken von USUnternehmen
höher einstufen. So sind
Bewertung und Verschuldung europäischer
Konzerne deutlich niedriger als bei
US-amerikanischen Unternehmen. In den
zurückliegenden Jahren haben US-Unternehmen
in hohem Umfang eigene Aktien
zurückgekauft. Teilweise schuldenfinanziert.
Diese Rückkaufwelle könnte abebben
und auf die Stimmung am Aktienmarkt
drücken. Zudem erscheint mir die
Bewertung amerikanischer Aktien recht
ambitioniert.
Zudem besteht in den USA eine starke
Beziehung zwischen dem Aktienmarkt
und der Konsumentenst immung.
Kommt der Aktienmarkt ins Stottern,
droht die Stimmung merklich zu sinken.
Dies wiederum könnte die Konsolidierung
beschleunigen. Aktuell liegt das
BIP-Wachstum in den USA bei 1,9 Prozent.
Eine Analyse der Daten des Bruttoinlandsprodukts
(BIP) seit dem zweiten
Weltkrieg zeigt, dass bei einem Wachstum
von weniger als zwei Prozent eine
große Rezessionsgefahr besteht. Allerdings
ist 2020 in den USA ein Wahljahr
und US-Präsident Donald Trump wird
alles unternehmen, um die US-Konjunktur
vor einer Rezession zu bewahren.
Europa und die europäischen Unternehmen
stehen strukturell sehr gut da. Die
Qualität von Unternehmensbilanzen in
Europa ist sehr viel besser als die Bilanz