13
waren im Fachhandel deutlich teurer als im
Internet. Aber im deutschsprachigen Raum
gab es kaum Onlinehändler, die das Geschäft
professionalisiert und Privatpersonen
beliefert haben. „Wir haben die Teile auf
unserer Website angeboten und sie immer
erst dann beim Lieferanten geordert, wenn
unsere Kunden bestellt und bezahlt hatten“,
erklärt Alexej Erdle, der das Unternehmen
– zu Gründungszeiten noch unter www.
pkwteile.de erreichbar – gemeinsam mit Max
Wegner und Vitalij Kungel gründete. Damit
verzichtet Autodoc auf teure Lagerhaltung
und Vorfinanzierung. Alle drei Gründer sind
wolgadeutsche Einwanderer, die im Kindesalter
nach Berlin gekommen sind. Alle drei
haben die Schule mit einem Realschulabschluss
verlassen. Erdle ist Kfz-Mechaniker,
Kungel Bürokaufmann – Exoten unter den
Start-up-Gründern in der Hauptstadt, die
sich gern mit akademischen Abschlüssen aus
dem Ausland schmücken.
Bereits Anfang des Jahres hat der Onlinehändler
Auto1 gezeigt, dass sich das Geschäft
mit Gebrauchtwagen für das Börsenparkett
eignet. Insgesamt erzielte das
Unternehmen, ebenfalls aus Berlin, beim
Debüt 1,8 Milliarden Euro. Das könnte ein
wichtiges Signal für die Branche gewesen
sein. Die Nachrichtenagentur Reuters taxiert
die mögliche Bewertung von Autodoc
auf etwa fünf Milliarden Euro, Bloomberg
sogar auf bis zu zehn.
Der Boston Consulting Group zufolge ist
der Markt lukrativ. Die Unternehmensberatung
schätzt den Umsatz der Werkstätten
mit Ersatzteilen und Arbeitskosten in
Europa auf 225 Milliarden Euro. Auch der
Bereich Fuhrpark wachse weiterhin, vor allem
in Osteuropa. Zudem nehme das Alter
der Fahrzeuge – und damit die Nachfrage
nach Ersatzteilen – zu. Die neue Strategie,
neben Privatpersonen auch Werkstätten und
Flottenbetreiber zu beliefern, könnte sich als
klug erweisen. Um Kunden im B2B-Bereich
zu überzeugen, müssen die Berliner allerdings
noch am Image arbeiten. Denn zuletzt
häuften sich negative Bewertungen zum Service
– ein Riesenproblem in Zeiten von Social
Media und Google.
Ob der Gebrauchtteile-Markt jenes Wachstum
birgt, das Anlegerfantasien stimuliert,
bleibt offen. Immer mehr Autohersteller setzen
voll auf Elektromobilität, Audi möchte
ab 2026 keine Verbrenner mehr bauen, bei
Foto © Pressefoto AUTODOC überschreitet Umsatzgrenze von 600 Mio Euro
BMW soll bis 2030 die Hälfte aller verkauften
Fahrzeuge vollelektrisch sein. In
der Folge wird es für Privatpersonen immer
schwerer, selbst am Auto zu schrauben. Aber
auch Werkstätten haben Probleme, elektronische
und digitale Bauteile auszutauschen.
Einen konkreten Zeitpunkt für den möglichen
Börsengang gibt es nicht. „Der IPO
bleibt eine Option“, sagt der Autodoc-Sprecher
Markt und Mittelstand. Im aktuellen
Marktumfeld sei dieser Schritt aber nicht besonders
sinnvoll.
Mehrere Signale deuten aber auf eine geschäftige
Vorbereitung hin, damit der Börsengang
sauber über die Bühne gehen kann,
sobald der Finanzmarkt stabiler wirkt. Kürzlich
haben die Gründer Erdle, Wagner und
Kungel die Geschäftsführung abgegeben und
das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft
umgewandelt. Neuer Vorstandschef ist der
ehemalige Scout24-Vorstand und Cinemaxx-
Chef Christian Gisy, der schon im Frühjahr
geholt wurde – damals als Co-Geschäftsführer.
Gisy gilt als Fachmann für Kapitalmärkte
und dürfte den Börsengang vorbereiten.
Die US-Großbanken JPMorgan und
Goldman Sachs sollen ihn Medienberichten
zufolge begleiten. Florian Spichalsky