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Karl-Ludwig Kley (Hsg.)
Ludwig von Jacobs.
Ein Unternehmerleben im 19. Jahrhundert
CH. GOETZ VERLAG, München
49,80 Euro
ISBN: 978-3-9471400-0-8
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weinmann@ch-goetz-verlag.de
man kann ihn, wie viele Unternehmer des 19. Jahrhunderts, einen
konservativen Modernisierer nennen.
Er stand, auch das ist typisch für das Jahrhundert - und es wiederholt
sich heute in der digitalen Revolution - an einer Schnittstelle
der wirtschaftlichen Innovation. Die Zuckerbranche war eine
Schlüsselindustrie der frühen industriellen Revolution, Vorläufer
der Stahlindustrie, und Jacobs kann als Brückenbauer zwischen
beiden gesehen werden. Er begründete aus Preußens Zentrum heraus
erste Großsiederei und hernach die Eisenbahnlinie von Berlin
nach Magdeburg, Preußens zentrale Verkehrsachse. Jacobs war
ein klassischer Tatmensch des neuen, bürgerlichen Zeitalters.
Ein
geschickter Investor, Zuckerfabrikant, Eisenbahnpionier und spätestens
seit der Revolution von 1848 /1849 ein sozial denkender
Unternehmenslenker. Seine Geschäftsbeziehungen reichten von
der Karibik bis nach Russland, von London bis Berlin. Er dachte
international, lange bevor das Wort „Globalisierung“ in Mode
kam, war ein weltoffener Multiplikator von Ideen und Kapital.
Anders aber als Unternehmer von heute war Jacobs ein Breitbandmensch
- vom Parlamentarier bis zum Mäzen reichten seine Rollen.
Seine Gemäldesammlung zog Besucher von weither an. Mit seinem
Sommer
haus, der „Villa Jacobs“, begründete er einen preußischen
39 Baustil: den der Turmvillen. Mit seiner Lebensleistung ist er einer
der großen Gestalter des bürgerlichen Aufbruchs in Deutschland
und zudem einer der ersten Vertreter jener prägenden Gruppe führender
Bürger, die als „Honoratioren“ zu Ansehen gelangten. „Wenn
heute von „Preußens Gloria“ die Rede ist, sollten weniger die Soldaten,
sondern vielmehr Persönlichkeiten wie Ludwig von Jacobs im
Mittelpunkt stehen“, so steht es auf dem Buchrücken. Das stimmt.
Denn wenn heute das 19. Jahrhundert wieder Beachtung findet,
dann sollte nicht das Gehäuse der Nationalisten und Militaristen dominieren
- besser die breitbannige Vorgehensweise solcher Unternehmer.
Wir leben 200 Jahre später in Zeiten extremer Spezialisierung
und Verengung des gesellschaftlichen Comments und Engagements.
Viele Unternehmer und Manager kümmern sich nur noch ums Geschäft
und trauen sich weder auf Kulturbühnen oder Talkshows, geschweige
denn in Parlamente. Von Jacobs war da anders, als Unternehmer
in ein Parlament zu ziehen und sich der öffentlichen Debatte
und Kritik zu stellen und etwas in der Gemeinschaft bewegen zu
wollen und nicht an der Börse, das ist heute reichlich unpopulär. Es
wäre aber wichtig. Und so kann man diese Monografie rückwärts
wie vorwärts lesen. Oder einfach wie ein Coffeetableband visuell genießen,
denn es ist eine geistige und sinnliche Fundgrube für breitwurzelndes
Unternehmertum im 19. Jahrhundert. R.K.
BÖRSE am Sonntag · 44/18
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