Lebensart
Der Kunstmarkt entwickelt sich hin zum Kapitalmarkt.
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Neben den klassischen Anlageklassen
wie Aktien und Anleihen sehen sich Investoren
inzwischen auch verstärkt nach alternativen
Geldanlagen wie Sachwerten in Form von Kunst
um, die hohe Renditen erzielen können. Das
wachsende Interesse, insbesondere an Bildern,
zeigt sich an steigenden Preisen und hohen
Nachfragen neuer Akteure aus Ländern wie
China oder Indien. Trotzdem: Die Investition in
Kunst bleibt nicht risikofrei. Experten verraten,
worauf Anleger beim Thema Kunst achten sollen
und ob sich ein Einstieg in diesem Jahr lohnt.
Steigende Nachfrage
Kunst ist für Anleger attraktiver geworden. „Die
Nachfrage hat in den vergangenen 20 Jahren
stetig zugenommen“, sagt Oliver Grimme, Senior
Specialist Art Management & Classic Cars
im Wealth Management der HypoVereinsbank
(HVB). Die Gründe: Bei vielen Kunst-Anlegern
konzentriert sich das Geld. Bei diesen vermögenden
Kunden sind die Bereiche klassische
Vermögensverwaltung, Immobilien und Altersvorsorge
bereits abgedeckt, weshalb sie ein weiteres
Segment zur Geldanlage suchen – gerade in
Zeiten von Niedrigzinsen. Außerdem greifen aktuell
viele Medien die positiven Entwicklungen
am Kunstmarkt auf und forcieren sie dadurch,
unter anderem durch Berichte über hochpreisige
Auktionen. Zusätzlich existiert eine junge Anleger
Generation, die Spaß an Kunst hat.
Persönliche Leidenschaft und intensive Recherche
Ein Investment in Kunst ist immer auch ein emotionales
Investment. Grimme: „Wir empfehlen
niemandem aus dem reinen Investmentgedanken
heraus in Kunst zu investieren. Die emotionale
Rendite ist garantiert, der Rest ist eine Chance auf
mehr.“ Daher bietet die HVB Kunst als Wertanlage
nicht proaktiv an, sondern erst auf Nachfrage
der Kunden. Die Berater dienen als Ansprechpartner
und ziehen die hauseigenen Spezialisten und
externen Partner wie Kunstberater, Restauratoren,
Versicherer oder Experten zur Einlagerung hinzu.
„Eine Investition in ein Depot ist abstrakt, eine Investition
in Kunst ist konkret, eine persönliche Leidenschaft“,
betont Birgit Maria Sturm, Geschäftsführerin
des Bundesverbands Deutscher Galerien
und Kunsthändler (BVDG). Sollte nämlich ein
Kunstwerk keine Wertsteigerung erfahren, ist es
ratsam, wenn es trotzdem gefällt – und dann das
eigene Wohnzimmer ziert. Mit der Leidenschaft
einhergehen muss auch Fachkenntnis. Anleger
und Sammler sollten laut Sturm auf regelmäßigen
Kontakt zu fachkundigen und erfahrenen Beratern
wie Galerien und Kunsthändler mit einem gewissen
Standing setzen. Zudem sollte der Kunstkäufer
die Orte aufsuchen, an denen Kunst stattfindet.
Vertriebskanäle sind Kunstmessen, Auktionshäuser,
Kunsthändler, Galerien, Online-Marktplätze,
Kunsthallen und Kunstvereine. Der Kunstmarkt,
so Sturm, lebt von intensiven Kontakten.
Langfristige Bindung
Kunst ist kein schnelles Investment. „Das ist ein
Geschäft, das der Vorbereitung und Pflege bedarf“,
sagt Sturm. „Ein Investment-Hopping ist
völlig falsch.“ Grimme ergänzt: „Man darf nicht
erwarten, dass in einem oder zwei Jahren der Preis
explodiert.“ Vielmehr sollten sich Anleger einen
Zeitraum von fünf bis zehn Jahren geben, um
das Investment zu beobachten. Der Kunstmarkt
mit seinen vielen Playern spreizt sich extrem aus.
Deshalb empfehlen beide Experten, sich beim
Kunstkauf auf einen Künstler oder ein Genre zu
fokussieren. Beim Blick auf das Gesamtvermögen
sollte das Investment – falls es floppt – keinen zu
großen Anteil daran einnehmen, sagt Grimme.
Bei etablierten Künstlern gelten Preise ab 50.000
Euro pro Werk als Einstieg.
Blue Chip oder Neuentdeckung?
Wie auf dem Aktienmarkt gibt es auf dem Kunstmarkt
Blue Chips. Gemeint sind Werke von bekannten
Künstlern, die dauerhaft gut verkäuflich
sind und beständig hohe Preise erzielen wie Gerhard
Richter oder Alicja Kwade. Bei etablierten
Künstlern geht der Anleger kein Risiko ein, betont
Sturm vom BVDG. Gerade bei zeitgenössischen
KUNST ALS
INVESTMENT
Gemälde statt Aktien: Wer in Kunst investiert, will
oft Leidenschaft mit Rendite verbinden. Das kann
gelingen, doch gerade bei diesem Investment sind
Recherche und Fachkenntnis nötig.