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Zunächst muss man ja sagen, dass diese
Beschreibung in der Sache zutreffend ist.
Es sind die Umstände, die es erfordern,
nicht meine Überzeugung, die sich verändert
hat. Um nicht von mir selbst zu
sprechen, nehme ich einfach den Kollegen
Robert Habeck. Er, als Wirtschaftsminister
der Grünen, muss in Qatar neue Lieferquellen
für fossiles Gas erschließen. Er hat
ja nicht seine Überzeugung aufgegeben,
dass er Klimaneutralität der Energieversorgung
will, aber die Umstände zwingen ihn.
Und die SPD muss aufrüsten, was sie
auch nicht will.
Sie sagen es. So ist es bei mir als Finanzminister
mit den Schulden; ich stehe zur
Schuldenbremse: Ich halte zu hohe Staatsverschuldung
für gefährlich, sie führt
uns in Abhängigkeiten von den Kapitalmärkten,
wir haben ein Zinsrisiko in den
öffentlichen Haushalten, es ist eine Frage
der Generationengerechtigkeit. Und im
Übrigen ist die Schuldenbremse nicht
beliebig, sondern Gebot des Grundgesetzes.
Wir befinden uns jetzt gerade in
den Zeiten eines Krieges in Europa; die
Corona-Pandemie ist nicht abschließend
überwunden. Und deshalb mache ich
keine Schulden für Umverteilung oder
Staatskonsum. Aber in diesem Jahr 2022
bin ich gezwungen, die Folgen des Krieges
durch Entlastungspakete für die Menschen
abzufedern. Ich bin gezwungen,
neue Wirtschaftshilfen zu entwickeln,
damit angesichts der steigenden Energiepreise
und unterbrochener Lieferketten
nicht wirtschaftliche Strukturbrüche zu
beklagen sind. Ich bin gezwungen, neue
Kredite aufzunehmen, damit ich humanitäre
Hilfe im Ausland und Schutz für die
Geflüchteten bei uns organisieren kann.
Aber das könnte 2023 alles vorbei
sein. Dann wären Sie nicht mehr so
gezwungen …
Im nächsten Jahr, und darüber hinaus,
müssen wir zurückkehren zur Schuldenbremse,
weil wir dann hoffentlich nicht
mehr so eine akute Krise haben wie jetzt.
Aber in diesem Jahr vertrete ich auf jedem
Marktplatz, bei jedem Wahlkampf: Jawohl,
ich will ausgeglichene Haushalte und die
Schuldenbremse, aber in diesen Zeiten, in
diesem Jahr, bin ich zu anderem gezwungen;
und ich sehe keine kluge Alternative.
Nun fragen sich die Leute: Wo kommt
das Geld her? Gerade bei steigenden
Zinsen. Eine Option wäre ja auch
Steuererhöhungen.
Steuererhöhungen wären falsch. Sie würden
die wirtschaftliche Erholungsperspektive
gefährden. Wir müssen Entlastung erreichen.
Warum habe ich ein großes Paket
– genau gesagt sind es zwei – von gut 30
Milliarden geschnürt? Weil das der Versuch
ist, auch die gefühlte Inflation bei den
Menschen ein Stück zu dämpfen; etwa der