AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART
Ryanair in
schweren Turbulenzen
Steigende Kerosinkosten und jede Menge Streiks. Ryanair reist durch turbulente Zeiten - und die Aktie
fällt. Boss O´Leary kämpft mit Gewerkschaften, Kostensprüngen, schwindenden Kundenvertrauen sowie
Buchungsrückgängen. Doch er hält Kurs: Kann die Aktie wieder steigen?
Gebucht, gefreut und schließlich geärgert: So erging es in den vergangenen
Wochen und Monaten vielen Passagieren, die mit der
Billigairline Ryanair in den Urlaub fliegen wollten. Zahlreiche
Flüge mussten wegen der streikenden Belegschaft gestrichen werden.
Nach wie vor fordern Kabinenpersonal und Piloten höhere
Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Um weiteren Schaden
von der Marke zu nehmen, sieht sich die irische Fluggesellschaft
nach jahrzehntelanger Ablehnung nun dazu gezwungen, mit Gewerkschaften
zu verhandeln. Mit Erfolg für die deutschen Ryanair
Piloten etwa, die allesamt bis Weihnachten fest bei der Fluggesellschaft
angestellt werden sollen. Dieses Ergebnis steigender
Verhandlungsmacht der Gewerkschaften entspricht so gar nicht
den Vorstellungen von Ryanair-Chef Michael O´Leary, der sagt:
„Gewerkschaften sind überflüssig. Die hat man im 19. Jahrhundert
gebraucht, um Arbeitnehmerrechte zu erkämpfen. Jetzt gibt es genug
sozialen Schutz.“ Dementsprechend droht der 57-Jährige, der
Ryanair seit den 1990er Jahren zur größter Billigairline Europas
mit über 400 Fliegern ausgebaut hat, strikt mit der Streichung von
Arbeitsplätzen, sollte es künftig noch zu weiteren Streiks kommen.
Auch vor der Schließung ganzer Standorte macht Ryanair nicht
halt. Erst kürzlich gab das Unternehmen bekannt, den Standort
Bremen, an dem sich ein Großteil der 90 Beschäftigten an Warnstreiks
beteiligte, ab November komplett dicht zu machen. Als
„skandalös und unwürdig“ bezeichnet Verdi diesen Vorgang.
Trotz oder gerade wegen dieses rigorosen Vorgehens gegen aus
Unternehmenssicht überhöhte Mitarbeiterforderungen könne Ryanair
weitere „Störungen“ im Flugbetrieb, sprich erneute Flugausfälle,
nicht ausschließen. Zuletzt musste die Billigfluglinie nach
eigenen Angaben zehn Prozent der Flüge streichen, vor allem kam
es neben Deutschland in Spanien, Belgien, den Niederlanden und
Portugal zu Arbeitsniederlegungen. Bei der ersten Streikwelle Anfang
August fielen hierzulande mit 250 Verbindungen gar zwei
Drittel der Flüge aus, international waren 400 Verbindungen mit
55.000 Fluggästen betroffen. Die Folge ist ein Vertrauensrückgang
der Kunden, der sich aktuell in schwindenden Buchungen für die
Zeit der Herbstferien und für die Weihnachtszeit niederschlägt.
Zu allem Überfluss steigen die Kerosinkosten mit dem Ölpreis
Quartal für Quartal und lassen die Margen schrumpfen. Mit all
diesem Ärger mussten die Iren ihre Gewinnprognose nach unten
korrigieren. Fürs Geschäftsjahr 2018 peilt das Dubliner Unternehmen
nun einen Überschuss von 1,10 bis 1,20 Milliarden Euro an.
Bisher hatte Ryanair mit 1,25 bis 1,35 Milliarden Euro gerechnet.
Neben dem Rückgang an Buchungen hat Ryanair wie andere
Airlines auch zudem mit einem steigenden Ölpreis und höheren
Kosten infolge von Engpässen bei der Luftverkehrsüberwachung
zu kämpfen. Die genauen Zahlen für Q2 sollen am 20. Oktober
vorgestellt werden.
Diese Entwicklungen kommen bei den Investoren nicht sonderlich
gut an. Folglich hat sich die Ryanair-Aktie in den letzten sechs
Monaten ein Viertel ihres Wertes verloren und kostet mit knapp
12 Euro deutlich weniger als ein Flugticket, das im vergangenen
Jahr für durchschnittlich 39 Euro erstanden werden konnte.
„Kunden wollen zwar billige Tickets“, kommentiert Marktanalyst
David Madden von CMC Markets die aktuelle Situation bei Ryanair:
„Aber noch wichtiger ist ihnen Verlässlichkeit. Das Unternehmen
geht das Risiko ein, seiner Marke langfristigen Schaden
zuzufügen.“ Aus seiner Sicht ist es in Anbetracht eines erwarteten
22 BÖRSE am Sonntag · 40/18