Corona-Virus als Trendbeschleuniger
Reinhard Schlieker
Chefredakteur BÖRSE am Sonntag
03 BÖRSE am Sonntag · 24/20
EDITORIAL
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Die Welt neu zu erfinden, oder zumindest einen
wesentlichen Lebensbereich – das ist ein Traum
innovativer Gründer, und natürlich ihrer Geldgeber.
Es ist keineswegs ein Traum heutiger Tüftler
und Gurus, sondern wohl so alt wie die Menschheit.
Dennoch: In jeder Generation nehmen neue
Ideen Gestalt an, die man so vorher nicht kannte,
und deren Verwirklichung angesichts vorhandener
Technologien auch nicht denkbar war. Es dämmert
nun tatsächlich das Zeitalter der Digitalisierung,
womöglich gar beschleunigt durch den
größten Disruptor dieser Tage, das Corona-Virus.
Was zwangsweise geübt werden musste, hilft jenen, die aus
noch jeder Not auch eine Tugend machen können. Da sind
zum Beispiel die Profiteure des Home-Office, vorn dabei das
deutsche Unternehmen Teamviewer, das Menschen und Unternehmen
vernetzt und verbindet. Es gibt kühne bis tollkühne
Träumer wie etwa den Unternehmer Trevor Milton, Gründer
des hoffnungsvollen Lastwagenherstellers in spe, dessen Produkte
alles Bekannte an Umweltfreundlichkeit überbieten sollen
– noch fährt allerdings kein Truck. Das sollte niemanden
hindern, „groß zu denken“, fordert Investor Frank Thelen, der
im Silicon Valley weiterhin die Ideenschmiede der Welt sieht –
und Digitalisierung nicht als Selbstzweck, sondern als Grundplattform
jedes Landes, das in Zukunft noch mitreden möchte.
In Deutschland fehlt es ihm da noch an vielem.
Statt virtueller Trucks hat Volkswagen weiterhin
ein Alleinstellungsmerkmal mit seinen
vielen Marken, vom Rennmobil bis zum
Pickup ist alles dabei. Vielleicht zuviel auf
einmal? Die Kultur ist immer noch die von
Wolfsburg, und dort eine ganz eigene, wie
Konzernchef Diess gerade erfahren und erleben
muss. Diese Welt voller Umbrüche, die
keineswegs nur Technologiebörsen beschäftigen,
sondern geradewegs in den deutschen
Anlegeralltag hineinreichen, fordert den einzelnen
wie die Gesellschaft. Und am Anfang
von allem steht Bildung, gerade auch wirtschaftliche
Bildung – wie die junge Programmiererin Aya Jaff
sie proklamiert: Ihren wirtschaftlichen Erfolg kann sie getrost
ins Feld führen, wenn sie die junge Generation auffordert, sich
mit dem Wirtschaftssystem vertraut zu machen. Man müsse
etwas kennen und verstehen, ehe man es mit Verstand auch
kritisieren könne – offenbar gibt es auch in Hinblick auf diese
Erkenntnis noch Nachholbedarf. Die BÖRSE am Sonntag
wünscht in diesem Sinne eine erfolgreiche Woche.
Ihnen jetzt aber eine spannende und erhellende Lektüre!
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