AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Niedriglohnländern in die Produktion als
preissenkender Faktor. Zudem begrenzt
die gesunkene Verhandlungsmacht der
Gewerkschaften auch bei guter Konjunktur
die lohninduzierte Inflationsgefahr.
Zwei weitere Faktoren sind nennenswert:
Die Digitalisierung und die Demographie.
Die Digitalisierung hat die Wettbewerbsintensität
in der Wirtschaft erhöht und übt
damit Druck auf die Preise aus. Zudem
kann die Sorge von Arbeitnehmern, bei zu
hohen Lohnforderungen durch Roboter
oder Computer ersetzt zu werden, zu moderateren
Lohnansprüchen führen. Lohn-
Preis-Spiralen, wie sie aus früheren Zeiten
bekannt sind, werden dadurch gegebenenfalls
38 BÖRSE am Sonntag · 22/19
im Keim erstickt.
Insbesondere die Demographie hat einen
hohen Erklärungswert: In alternden
Gesellschaften ist die Konsumfreude gedämpft,
weil das Bedürfnis nach Vorsorgesparen
hoch ist. Wer seinen Lebensstandard
im Ruhestand halten möchte, ist auf
private Vorsorge angewiesen. Der Versuch der Zentralbanken,
Sparen weniger attraktiv zu machen und den Konsum mit niedrigen
Zinsen anzukurbeln, kann also ins Leere laufen. Denn oft ist
es in einer alternden Gesellschaft ja eine bewusste Entscheidung,
heute weniger zu konsumieren, um einen Kapitalstock für den
Ruhestand aufzubauen. Niedrige oder Nullzinsen können dann
sogar kontraproduktiv sein, weil aufgrund des ausbleibenden Zinseszinseffekts
noch mehr gespart werden muss, um auf die angestrebte
Sparsumme für den Ruhestand zu kommen. Für den Sparer
bieten sich Investitionen in Sachwerte wie zum Beispiel Immobilien
an, um für das Alter vorzusorgen. Wenn also eine expansive
Geldpolitik aus den genannten demographischen Gründen nicht
zu mehr Konsum, sondern zu mehr Sachwert-Investments führt,
steigen eben nicht die Verbraucherpreise wie von der Zentralbank
gewünscht, sondern die Vermögenspreise (Immobilien, Aktien) –
genau das war in den letzten Jahren in Deutschland und in Europa
zu beobachten.
Wenn nun strukturelle Gründe dafür sorgen, dass die Inflationsrate
im Kern eher bei 1,0 bis 1,5 % liegt und die EZB mit ihrem
Instrumentarium kaum Aussichten hat, ihren Zielwert von knapp
zwei Prozent zu erreichen, wäre es dann nicht sinnvoll, das Inflationsziel
entsprechend zu senken? Auch damit würden die oben genannten
Kriterien erfüllt, mit denen ein Abgleiten in die Deflation