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Forschung kostet Geld. Steigt das finanzielle Risiko
mit der Forschungsgeschwindigkeit?
Mit steigender Geschwindigkeit steigt die Gefahr von Fehlschlägen.
Die dürfen nie, wirklich nie, auf Kosten der Sicherheit und
Wirksamkeit von Medikamenten oder Impfstoffen gehen. Aber
Fehlschläge kosten immer Geld, deshalb versuchen wir alles Mögliche,
diese zu vermeiden. Vielleicht steigt so mit der Forschungsgeschwindigkeit
das finanzielle Risiko, aber definitiv nicht das Risiko
für die Menschen. Und dem Wohl der Menschen und Patienten
sind wir alle verpflichtet.
In einem kürzlich erschienen FAZ-Artikel heißt es,
dass die beschränkten Produktionskapazitäten das
größte Problem seien. Wie schnell lässt sich die
weltweite Produktion umsetzen, wenn ein Impfstoff
gefunden worden ist?
Die Produktionskapazitäten stellen eine große Herausforderung
dar - wenn ein Impfstoff vorhanden ist. Das macht das Problem
bei Covid-19 erst richtig deutlich: Wir haben noch keinen Impfstoff,
müssten aber bereits jetzt in die Produktionskapazitäten und
-anlagen investieren c – eindeutig eine Hochrisikoinvestition. Bei
der aktuellen Dringlichkeit für einen Covid-19 Impfstoff können
wir uns kein sequenzielles Vorgehen leisten – zuerst Erforschen einer
Vakzine, dann Investition in eine Produktionsanlage – sondern
müssen simultan vorgehen, um Zeit zu gewinnen. Da es hier um
dreistellige Millionenbeträge geht, ist das keine leichte Entscheidung
für einzelne Firmen. Ich sehe hier durchaus die Möglichkeit
größerer Kooperationen: Sanofi arbeitet mit GSK zusammen, BioNTech
mit Pfizer, andere werden folgen. Bei dem Ausmaß des
möglichen weltweiten Bedarfs ist es ohnehin notwendig intensiv
zusammenzuarbeiten, um rasch für viele Menschen weltweit und
gleichzeitig einen Impfstoff zur Verfügung zu stellen. Die aktuelle
Initiative der EU hilft hier definitiv sehr.
In Deutschland müssen Pharmakonzerne mit restriktiven
Forschungsvorgaben leben. Haben andere
Länder hier einen Wettbewerbsvorteil?
Die private Pharmaforschung wird in vielen anderen Ländern
tatsächlich besser gefördert, aber auch höher wertgeschätzt als in
Deutschland. Beispiele sind großzügigere steuerliche Forschungsförderungen
in vielen OECD-Ländern oder auch digitale Versorgungsgesetze,
die auch den Zugang von privaten Forschungseinrichtungen
zu anonymisierten Patientendaten erlauben. Wir sind
hier auf dem richtigen Weg, den großen Schritt trauen wir uns
aber (noch) nicht. Wichtig ist auch, die Reputation der privaten
Pharmaforschung zu verbessern. Denn nur bei breiter gesellschaftlicher
Akzeptanz haben wir die Chance, auch in Deutschland
hochinnovative Ansätze auf den Weg zu bringen.
Wie könnten die Rahmenbedingungen für Forschung
in Deutschland Ihrer Meinung noch weiter
verbessert werden?
Durch eine noch bessere Kooperation aller an Forschung
beteiligten Institutionen: Universitäten, außeruniversitäre
14 BÖRSE am Sonntag · 19/20
Foto © sanofi-zellkulturanlage-5
Impulsgeber: Prof. Maas spricht auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel 2020 vor Spitzenpolitikern, Wirtschaftslenkern und Medienmachern.