Ein bedeutender Teil unserer Medikamente wird im
Ausland produziert. Wäre es nicht sinnvoll, einige
Produktionsketten wieder nach Deutschland zurück
zu verlagern?
Das wird kommen, die ersten Firmen fangen damit bereits an.
Sanofi ist nur ein Beispiel: Fünf europäische Produktionsstandorte
sollen zusammen eine eigene Firma bilden und synthetische
Moleküle und deren Vorstufen hier in Europa, darunter
auch an einem Standort in Frankfurt, produzieren. Ich bin sicher,
dass andere folgen werden. Man ist darauf in der Covid-
19-Krise besonders aufmerksam geworden, das ist aber für viele
Medikamente und deren Vorstufen wichtig. Es kann nicht sein,
dass in Europa bestimmte Medikamente nicht mehr zur Verfügung
stehen, weil Chinesen nicht liefern können, aus welchen
16 BÖRSE am Sonntag · 19/20
Gründen auch immer.
Rückblickend: hat die Bundesregierung aus Ihrer
Sicht als Mediziner die richtigen Maßnahmen
ergriffen oder hätten diese noch härter und länger
ausfallen sollen?
Die Maßnahmen waren richtig und kamen zum richtigen
Zeitpunkt. Nicht umsonst beneidet uns die ganze Welt für
unsere Zahlen und für unser Krisenmanagement. Wir müssen
allerdings vorsichtig bleiben, trotz aller Sehnsucht, zum
„normalen Leben“ zurückzukehren. Ich denke, wir können
eine Menge Lehren aus dem ziehen, wie wir es bisher gemeistert
haben und damit eventuell auch eine zweite Welle besser
durchstehen.
Kürzlich sagte Bundestagspräsident Wolfgang
Schäuble, dass nicht alles dem Schutz des Lebens
untergeordnet werden könne. Teilen Sie diese
Meinung?
Unser Grundgesetz erlaubt eine Abwägung verschiedener Artikel,
mit Ausnahme der unantastbaren Würde des Menschen.
Insofern teile ich die Ansicht von Wolfgang Schäuble – aus einer
breiten gesellschaftspolitischen Sichtweise. Ich kann aber
auch sehr gut verstehen, dass einzelne von Covid-19 selbst oder
in der Familie betroffene Bürger das anders sehen. Leben und
Tod bekommen eine andere Wertigkeit, wenn sie nicht abstrakt
sind, sondern ein persönliches Gesicht bekommen.
Wer kann, arbeitet im Homeoffice. Wie sieht das
bei Ihnen aus?
Ich war eigentlich immer vor Ort im Büro. Nur die klassischen
Abendmeetings mit der Ost- und Westküste habe ich
aus dem Home-Office bestritten. Da, wo es möglich ist, sind
meine Mitarbeiter aber im Home Office oder unterstützen die
Kollegen aus der Produktion.
Das Gespräch führte Matthias Nieswandt
Foto © sanofi-zellkulturanlage-9
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