AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART
Hinblick auf eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Branchen
sehr vorsichtig. Ich halte es für sehr problematisch einzelne
Branchen – abgesehen vom Medizinsektor und der Grundversorgung
– als besonders wichtig, andere als weniger wichtig zu
klassifizieren. Alle Teile der Wirtschaft sind wichtig und haben
ihre Existenzberechtigung. Es muss gelingen, die Wirtschaft möglichst
breit wieder hochzufahren – wenn auch mit Auflagen und
29 BÖRSE am Sonntag · 17/20
Restriktionen.
Wieviel Menschen könnte die Krise ihren Job
hierzulande kosten?
Das wissen wir nicht. Im Augenblick sind die Zahlen noch relativ
gering, weil extrem viele Menschen auf Kurzarbeit gesetzt wurden.
Das wird wahrscheinlich nicht so bleiben. Nicht alle Unternehmen
werden diese Krise überleben. Wie stark die Arbeitslosigkeit steigen
wird hängt von dem Szenario ab: Rechnen wir mit einem optimistischen
Szenario, einem V – also einem sehr starken Einbruch
und einer rapiden Erholung in den kommenden Monaten – oder
gehen wir von einem U, oder sogar einem L – also einem langen
Einbruch – aus? Da kann Ihnen derzeit niemand eine verlässliche
Prognose geben. Klar ist, die Arbeitslosigkeit wird steigen. Denn
ich befürchte, dass nicht alle Jobs mithilfe von Kurzarbeit gerettet
werden können.
Foto © Prof. Marcel Fratzscher - DIW Berlin, B.Dietl
Welches Szenario halten Sie denn für
wahrscheinlich?
Ich halte ein sogenanntes U-Szenario für wahrscheinlich. Ich gehe
also davon aus, dass der aktuelle Einbruch nicht im zweiten Quartal
wieder komplett aufgeholt werden kann. Die Wirtschaft wird sich
also nur langsam erholen, vielleicht braucht sie bis Ende nächsten
Jahres. Und dann werden wir auch noch nicht auf dem Vor-Krisen-
Niveau sein. Das wird noch zwei bis drei Jahre dauern.
In Deutschland haben schon 725.000 Firmen Kurzarbeit
angemeldet. Rettet sie denn tatsächlich Jobs oder
verschiebt sie aktuelle Probleme lediglich nach hinten?
Ich denke schon, dass Kurzarbeit Jobs rettet, vor allem bei jenen
Unternehmen, die jetzt wieder hochfahren. Das wird aber nicht bei
allen Betrieben so sein. Wie viele auf der Strecke bleiben könnten,
kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschätzt werden. Das
hängt in erster Linie davon ab, wie sich das Virus entwickelt und
wie schnell die Wirtschaft nachhaltig wieder hochgefahren werden
kann. Das kann Ihnen aber heute niemand sagen.
Unsere europäischen Nachbarn Italien und Spanien
trifft die Krise aber noch viel härter. Der Vizechef der
EU-Kommission Valdis Dombrovskis hat sich nun für
Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung: Marcel Fratzscher