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Shell will
größter Stromanbieter
der Welt werden
Royal Dutch Shell investiert Milliarden in erneuerbare Energien. Damit könnte der
Ölmulti eine grüne Wende auf dem Markt der fossilen Brennstoffe einleiten – Chance
oder Risiko für Anleger?
Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus? Wird das Elektroauto
zur Massenware, das über Nacht an der Steckdose lädt? Und
was passiert mit all den Zapfsäulen, die täglich Abermillionen
Liter an fossilen Brennstoffen in all die Autos pumpen? Zugegeben:
Niemand kennt die Antwort – kein Vorstandsvorsitzender,
kein Politiker, kein Wissenschaftler und kein Verbraucher.
Spätestens nach der Übernahme des bayerischen Solarbatterieunternehmens
Sonnen durch den Ölmulti Royal Dutch Shell
hat der britisch-niederländische Konzern deutlich gemacht,
welchen Weg er zukünftig gehen wird. So will der Ölriese in
den kommenden zehn Jahren zum weltgrößten Energiekonzern
aufsteigen – und dabei eine große Menge klimafreundlich hergestellten
Strom anbieten. „Wir wollen der größte Stromversorger
der Welt werden“, teilte Shell-Vorstand Maarten Wetselsaar
selbstbewusst mit. Mit diesem Satz sorgte Shell für mächtig
Wirbel in der fossilen Branche. Bis 2035, so Wetselsaar weiter,
soll Strom, neben dem Öl-, Gas- und Chemiegeschäft zur
gleichberechtigten vierten Säule werden und dreißig Prozent
zum Umsatz beisteuern. Damit läutet die Chefetage den größten
Umbau in der Geschichte des Unternehmens ein.
Zahlreiche Zukäufe
Das britisch-niederländische Unternehmen reagiert damit so
konsequent wie kein zweiter Öl- und Gaskonzern auf die fundamentalen
Veränderungen, die das Geschäftsmodell der erfolgsverwöhnten
Branche gefährden. „Niemand stellt mehr infrage,
ob die Energiewende kommt – die Frage ist, wie schnell sie da
ist und ob die fossilen Energiekonzerne
dann noch eine Zukunft haben“, meint
der Energieexperte David Robinson vom
Oxford Institute of Energy Studies in
London. Alternative Antriebe, verhältnismäßig
günstige Energieerzeugung durch
Wind, Carsharing-Modelle würden eine
Zeitenwende für „Big Oil“ einläuten,
ergänzt Robinson. Das sieht Shell offensichtlich
genauso. Seit 2016 hat der Ölriese
mithilfe der Tochter New Energy
über 30 Öko- und Elektrizitätsunternehmen
weltweit aufgekauft. So hat Shell erst
kürzlich zwischen 400 und 500 Millionen
Euro in die Übernahme des bayerischen
Solarspeicherherstellers Sonnen investiert.
„Shell macht den ersten Schritt in
die richtige Richtung, und sie haben uns
mit ihrer Strategie einfach überzeugt“,
begründet der Chef des kleinen Unternehmens
aus dem Allgäu Christoph
Ostermann den Deal. Daneben hat das
Unternehmen mit Sitz in Den Haag und
London den britischen Elektrizitätsversorger
First Utility und den weltgrößten
E-Ladestation-Betreiber New Motion
übernommen. „Durch die Übernahme
26 BÖRSE am Sonntag · 27/19